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Die Musen des Herodotus von Halikarnassus. Übersetzt von Dr. J. Chr. F. Bähr. Fünftes Bändchen. Terpsichore. Einleitung. in das fünfte Buch. Mit dem fünften Buch knüpft Herodotus die Erzählung an den Punkt an, wo er sie im vierten Buche Kap. 143 gelassen hatte, indem das, was in diesem Buche weiter folgt, mit der Persisch-Hellenischen Geschichte in näherer Berührung nicht steht, sondern von einem Zuge eines Persischen Feldherrn an der Afrikanischen Nordküste berichtet, und damit Veranlassung nimmt, eine übersichtliche Darstellung der Völkerschaften dieses Landstriches zu geben, soweit der Geschichtschreiber davon Kunde erhalten hatte[*] ). Knüpfen wir also mit dem fünften Buche an jene Stelle an, wo Herodotus erzählt, wie Darius nach dem verunglückten Zug wider die Scythen, auf der europäischen, Asien gegenüberliegenden Seite, in Thracien den Megabyzus mit einer bedeutenden Heeresmacht zurückgelassen, zur Unterwerfung dieses Landes, so finden wir zu Anfang dieses fünften Buches (Kap. 2) auch diese Weisung wiederholt, und werden darum das, was zu Anfang dieses Buches erzählt wird, wohl bald nach dem Ende des im Jahr 513 v. Chr.[**] ) unternommenen Zuges wider die Scythen, also in die Jahre 512 und 511 verlegen können. Um diese Zeit mag auch Darius, nachdem er aus dem unglücklichen Feldzuge nach Asien zurückgekehrt, noch eine Zeit lang in Sardes, dem Hauptsitze der persischen Macht in den Ländern westwärts vom Halys, also in Kleinasien, verweilt hatte, nach Susa zurückgekehrt sein in das Innere seiner Monarchie; von Sardes aus mag er noch den Befehl zur Uebersiedelung der Päonier nach Kleinasien (s. Kap. 14) gegeben haben, also wohl noch um 512 v. Chr., während die Reise nach Susa (Kap. 25) dann in das folgende Jahr 511 fallen dürfte. Wenn nun auch die ersten Abschnitte dieses fünften Buches, von dem bemerkten Punkte ausgehend, uns die Unternehmungen des Megabyzus und seine Eroberungen in Thracien und Macedonien vorführen, so hat der übrige größere Theil dieses Buches es noch nicht mit der Erzählung des großen Kampfes zwischen Persern und Hellenen, dessen Schilderung die Hauptaufgabe des Geschichtschreibers, ja Ziel und Zweck seines ganzen Werkes war, zu thun, sondern es bildet sein ganzer Inhalt vielmehr die nähere Erörterung dessen, was eben diesen großen Kampf herbeigeführt und Veranlassung zu dem Zusammenstoß gegeben, den uns die folgenden Bücher schildern. Denn auch nach der Abreise des Königs von Susa setzt der von ihm als Befehlshaber der in den westlichen Theilen des Reichs stationirten Heeresmacht zurückgelassene Otanes (s. Kap. 26), als Nachfolger des Megabyzus, dessen Bemühungen fort in Unterwerfung der griechischen Städte des Hellespontes und einiger nahegelegenen, ebenfalls griechischen Inseln, wie Lemnus und Imbrus, da der Besitz dieser Gegenden zur Sicherstellung und Befestigung der persischen Macht in Kleinasien, wie selbst zu deren Erweiterung von Belang war. Und diese Bemühungen führten dann weiter zu einem durch Aristagoras, der an der Stelle des mit dem Könige nach Susa gezogenen Histiäus, des Machthabers von Miletus, in dieser Stadt gebot, angeregten Unternehmen wider die reiche und angesehene Insel Naxus; der ungünstigste Ausfall dieses Unternehmens, wodurch Aristagoras, dem Persischen Statthalter gegenüber compromittirt wurde, erregte in Aristagoras, der sich aus der Verlegenheit zu ziehen wünschte, den Gedanken eines Abfalls von den Persern, worin er durch eine Botschaft des am Perserhofe zu Susa weilenden Histiäus, der ebenfalls eine Veranlassung suchte, wieder nach Milet zurückzukommen, bestärkt ward (s. Kap. 32). Um diesen Abfall auszuführen, mußten zuvörderst die in den übrigen Ionischen Städten von den Persern eingesetzten und an der Spitze der Truppen und Schiffe dieser Städte stehenden Machthaber, weil sie im Persischen Interesse standen[*)] , beseitigt, und der Zutritt dieser Städte, denen die Wiederherstellung der republikanischen, freien Verfassung vorgespiegelt ward, erwirkt werden, worauf der offene Abfall erfolgte (s. Kap. 37). Aber auch so fühlte sich Aristagoras nicht stark genug, der gewaltigen Macht der Perser mit einigem Erfolg die Stirne zu bieten, und darum suchte er Hülfe bei den beiden mächtigsten Staaten von Hellas, bei Sparta und bei Athen. Von ersterem abgewiesen, gelingt es ihm, die Athener für seine Sache zu gewinnen; es erfolgt die Absendung einer Flotte mit entsprechender Heeresmacht zur Unterstützung der Ionier, die mit den Athenischen Truppen gegen Sardes ziehen, und auch der Stadt, mit Ausnahme der festen Burg, sich bemächtigen, aber, nachdem die Stadt in Flammen aufgegangen, sich wieder zurückziehen; die Attische Flotte zieht sich darauf gleichfalls zurück und überläßt die Ionier ihrem Schicksal; das weitere Vorrücken der Perser veranlaßt den Aristagoras selbst zur Flucht nach dem gegenüberliegenden Festlande Europa's, wo er sein Ende in einem Kampfe mit den Thraciern findet. Mit dem Ende des Aristagoras, das wohl um 498 v. Chr. anzusetzen ist[**] ), endet auch dieses fünfte, von den Gelehrten Alexandria's, von welchen die gegenwärtige Eintheilung des Herodoteischen Werkes in neun Bücher stammt, mit dem Namen der Muse Terpsichore bezeichnete Buch, dessen Mittelpunkt, wenn wir von den mehrfach nach Weise des Geschichtschreibers auch hier eingestreuten Episoden absetzen, allerdings dieser Aristagoras und der von ihm angezettelte Aufstand der Asiatischen, zunächst Ionischen Griechen bildet: sein Unternehmen, und insbesondere den Beistand, den er sich für dasselbe von Athen erwirkte, betrachtet Herodotus als die Quelle aller der Uebel, von welchen später Hellenen wie Barbaren betroffen wurden (s. Kap. 97), somit als den Grund der folgenden Ereignisse, die der Geschichtschreiber darzustellen unternommen hat: und darum hat er auch in so umfangreicher und genauer Weise eben diese Ereignisse in diesem fünften Buche auseinandergesetzt, weil in ihnen die nähere Veranlassung zu dem Zusammenstoß der Perser mit den Hellenen des Mutterlandes zu suchen ist, namentlich der Beistand, welchen Athen den wider die persische Macht sich erhebenden Griechen Asiens geleistet, den Zorn des Darius hervorruft, der dafür an Athen Rache zu nehmen eifrigst bedacht ist[*] ). So erfolgt dann der Zug des Darius wider das hellenische Mutterland, den uns aber erst das nächste sechste Buch zu schildern bestimmt ist, während die in diesem fünften Buch gegebene ausführliche Darstellung der diesem Zug vorausgegangenen und ihn herbeiführenden Ereignisse als ein Beweis der großen Sorgfalt des Geschichtschreibers gelten kann, wie seines Bestrebens, die großen Kämpfe der Hellenen für ihre Unabhängigkeit, deren erhebende Darstellung die Aufgabe und das Ziel war, das er vor Augen hatte, auch durch die genaue Erörterung der Ursachen und Veranlassungen derselben in ihrem wahren Lichte erscheinen zu lassen. Wir mögen darin eben so sehr ein Streben nach Gründlichkeit erkennen, als ein Zeichen einer gewissen kritischen Richtung, die der Geschichtschreiber auch sonst in der Erforschung der einzelnen Thatsachen überall an den Tag legt, und selbst da anwendet, wo er mit dem Wunderglauben seiner Zeit in Widerspruch zu treten sich nicht scheut, wie er dieß gelegentlich eines Vorfalls der Art, der zu Aegina sich zugetragen haben soll, offen ausspricht, s. Kap. 86. Uebrigens fehlt es auch in diesem fünften Buche nicht an einzelnen interessanten Abschweifungen, die mit dem Hauptgegenstände in näherer Berührung zwar nicht stehen, aber, durch irgend eine äußere Veranlassung herbeigeführt, dem Geschichtschreiber die erwünschte Veranlassung bieten, auch Anderes, was er in dem Gebiete der geographischhistorischen oder kulturgeschichtlichen Forschung ermittelt hatte, gelegentlich mitzutheilen, wie er uns ja selbst versichert (IV, 30), daß es von Anfang an seine Absicht gewesen, in die Erzählung Zusätze dieser Art — Episoden oder Digressionen — einzuflechten: was natürlich den Werth des Ganzen nur erhöhen kann. Dahin gehört in diesem Buche insbesondere die detaillierte Beschreibung der persischen Königsstraße, die, von Darius angelegt, die fernsten Theile seines Reichs im Westen mit dem Hauptsitze der Monarchie in Verbindung bringen sollte, Kap. 52 ff., die Angaben über die Thracier, Kap. 3 ff.; ebenso die Erörterung über die älteste Schrift der Hellenen, Kap. 58 ff., und ebenso über die Attischen Verhältnisse, die Verfassungsänderungen des Klisthenes (Kap. 66. 69), wie die seines gleichnamigen Großvaters zu Sicyon (Kap. 67 f.), über den Sturz der Bacchiaden zu Korinth und die Erhebung des Kypselus, und die Regierung seines Sohnes Periander (Kap. 92 ff.), die zugleich die erwünschte Gelegenheit dem für Freiheit und Unabhängigkeit begeisterten Geschichtschreiber bietet, ein Bild der Tyrannis vor den Augen seiner Leser und Hörer zu entrollen und darum auch erzählt er uns bei einer andern Veranlassung näher die Vertreibung der Pisistratiden (Kap. 62 ff.), insofern er an diese Vertreibung und die Wiederherstellung der Republik durch Klisthenes die künftige Größe Athens knüpft und daraus herleitet (Kap. 66 ffg.). Und doch hindert ihn dieß nicht, auch die Mißstände der Attischen Demokratie anzuerkennen, die seinem offenen Blick nicht entgehen konnten. und bedeutungsvoll erscheint seine Aeußerung über Aristagoras, der zu Sparta den einzigen Kleomenes nicht für seine Sache gewinnen konnte, während er dreißigtausend Athener leichter überreden und beschwatzen konnte (Kap. 97). Auch daraus, wie aus so manchem Andern, mag die Unbefangenheit und der richtige, durch Nichts getrübte Blick des Geschichtschreibers erkannt werden, der uns zu gerechter Anerkennung auffordern, ebenso aber auch veranlassen muß, seiner auf sorgfältige Forschung und Ermittelung des wahren Thatbestandes gestützten Erzählung und seinem gesunden Urtheil allen Glauben zu schenken. Inhalt des fünften Buches.Megabyzus. des Darius Feldherr, in Europa zurückgelassen mit einem Heere, unterwirft zuerst die Perinthier, die schon früher von den Päonen viel gelitten hatten (1), und Thracien{(2).} Ausdehnung Thraciens und Sitten der Bewohner{(3),} ihr Unsterblichkeitsglaube{(4),} Abschlachtung der Frauen bei dem Tode ihres Gatten{(5);} Sitten der übrigen Thracier{(6)} ihr Cultus{(7);} ihre Leichenbestattung{(8);} Beschaffenheit des Landes über (d. i. nördlich von) Thracien. die Sigynnen{(9);} Unmöglichkeit weiter gegen Norden vorzudringen vor Kälte{(10).} Beschenkung des Histiäus und des Koes von Seiten des Darius für die ihm geleisteten Dienste{(11);} Besiegung der Päonen und deren Verpflanzung nach Kleinasien{(12—15),} bis auf die am See Prasias wohnenden; eigenthümliche Wohnungen derselben{(16).} Aufforderung des Megabyzus an Amyntas. den König von Macedonien, sich zu unterwesen, und Ermordung der Persischen Gesandten durch Alexander, den Sohn des Amyntas{(17—20),} der die nachtheiligen Folgen dieser That abzuwenden weiß{(21);} Abstammung der Macedonischen Könige{(22).} Darius, auf den Rath des Megabyzus, nimmt den Histiäus mit an seinen Hof zu Susa{(23.24).} Ernennung des Artaphernes zum Statthalter in Sardes und des Otanes zum Befehlshaber der in Kleinasien stationirten Land- und Seemacht{(25),} dessen weitere Eroberungen{(26.27).} Unternehmen der Perser wider Naxus, dessen Blüthe{(28)} und Streit mit Milet, durch die Parier beigelegt{(29);} nach Milet fliehen Vertriebene aus Naxus und wenden sich an Aristagoras, der in der geheimen Absicht, Herrscher von Naxus zu werden{(30),} den Artaphernes zu einem Zug wider Naxus veranlaßt{(31.32);} erfolgloser Ausgang dieses Unternehmens{(33.34);} Verlegenheiten des dadurch compromittirten Aristagoras, vermehrt durch eine Weisung des Histiäus von Susa aus{(35);} seine Berathung und sein Entschluß, abzufallen{(36),} Sturz der Machthaber in den übrigen Ionischen Städten{(37.38).} Aristagoras sucht Hülfe in Sparta (38). Anaxandrides, König von Sparta, und seine doppelte Heirath{(39.40).} seine beiden Söhne, Kleomenes und Dorieus{(41);} Kleomenes wird nach des Vaters Tode König und Dorieus verläßt Sparta und schifft nach Libyen{(42),} von da nach Italien{(43),} wo er den Krotoniaten Hülfe leistet in dem Zuge wider Sybaris{(44.45),} und von da nach Sicilien, wo er seinen Tod findet{(46.47).} Kleomenes. der nur kurze Zeit regiert{(48),} empfängt den Aristagoras, der ihn zur unterstützung der Ionischen Griechen, unter Vorzeigung einer Landkarte Asiens, zu bereden{(49.50)} und zuletzt mit Geld zu bestechen sucht, und darauf Sparta unverrichteter Sache verläßt{(51).} Beschreibung der Königsstraße von Ephesus und Sardes nach Susa{(52—54).} Aristagoras begibt sich nach Athen: dessen Lage nach der Ermordung des Hipparchus durch Harmodius und Aristogiton{(55.56),} deren Abkunft aus dem Geschlecht der Gephyräer{(57),} die aus Phönicien stammen, woher auch die älteste Schrift der Hellenen stammt{(58);} die ältesten Inschriften der Art{(59—61).} — Vertreibung des Hippias und der Pisistratiden durch die aus Athen flüchtigen Alcmäoniden mit Hülfe der Lacedämonier{(62—65.)} Clisthenes zu Athen mächtig, dessen Aenderungen in der Eintheilung des Volkes{(66.69),} nach dem Beispiel seines Großvaters (mütterlicher Seits), des Clisthenes, Tyrannen von Sicyon, und dessen Aenderungen in Sicyon (67—69). Vertreibung des Clisthenes und der Alcmäoniden durch den Gegner Isagoras, ebenfalls mit Hülfe der Lacedämonier, Abzug der letzteren aus Attica{(70—72).} Zurückberufung des Clisthenes und der durch die Lacedämonier Vertriebenen nach Athen und Sendung nach Sardes, um mit den Persern ein Bündniß einzugehen{(73);} Einfall des Kleomenes mit einem Heere des Peloponnesischen Bundes in Eleusis und Attica{(74);} Trennung der Verbündeten und Rückkehr der Lacedämonier{(75.76).} Sieg der Athener über die Böotier und Chalcidier{(77).} Aufblühen Atheus seit der Befreiung von der Pisistratiden-Herrschaft und Wiederherstellung der Republik{(78).} Bund der Thebaner und Aegineten wider Athen{(79.80);} Niederlage der Thebaner und Verheerung der Attischen Küste durch die Aegineten{(81).} Alte Feindschaft zwischen Athen und Aegina wegen der Bilder der Damia und Auxesia{(82.83),} und vergebliche Bemühungen Athen's, diese Bilder zu erhalten{(84—86);} Aenderungen in der Attischen Kleidung der Frauen, dadurch veranlaßt{(87.88).} Aufschub der an den Aegineten zu nehmenden Rache{(89).} Berufung des von Athen vertriebenen Hippias nach Sparta, um ihn in Athen wieder einzusetzen{(90).} Berathungen darüber an dem Peloponnesischen Bundestag zu Sparta, Vorschlag der Spartaner{(91),} Gegenrede des Abgeordneten von Korinth, Sosicles. der bei dieser Gelegenheit auf die frühere Tyrannis zu Korinth zurückkommt, und über die Bakchiaden. über Cypselus und Periander sich verbreitet{(92),} auch die Abweisung des Vorschlags der Spartaner herbeiführt{(93).} Rückkehr des Hippias nach Sigeum, die dortigen, früheren Kämpfe{(94.95).} Bemühungen des Hippias, den Arthaphernes wider die Athener aufzubringen{(96);} diese lassen sich durch Aristagoras bestimmen. den aufständigen Ioniern Beistand wider die Perser zu senden{(97).} Die Rückkehr der Päonen in ihre Heimath{(98);} Zug der verbündeten Ionier und Athener wider Sardes{(99.100),} Einnahme der Stadt, mit Ausnahme der Burg (100), und Verbrennung der Stadt{(101),} Rückzug der Ionier{(102)} und Rückkehr der Athener{(103);} fortgesetzte Rüstungen der Ionier und Verbindung mit den Kariern{(103)} und Cypriern{(104)} unter Onesilus. Darius schwört Rache den Athenern{(105)} und sendet den Histiäus nach Susa zurück, um durch ihn Alles wieder zu Ruhe zu bringen{(106.107);} Niederwerfung des Cyprischen Aufstandes durch die persische Macht{(108-113),} Hinrichtung des Onesilus. der in die Gefangenschaft gerathen war{(114),} Rückkehr der Ionier, die am Cyprischen Aufstand Theil genommen, nach Jonien{(115),} Siege der Persischen Feldherrn über die Ionier{(116),} und Eroberung der Hellespontischen Städte{(117);} Siege der Perser über die aufständigen Karier{(118-120),} welche dagegen in einem Hinterhalt den Persern eine große Niederlage beibringen{(121).} Unterwerfung der Hellespontischen, Aeolischen und Ionischen Städte{(122.123).} Aristagoras alle Hoffnung aufgebend. verläßt Milet und begibt sich nach Myrcinus im Lande der Edonen, wo er seinen Tod durch die Thracier findet{(124—126).} Fünftes Buch. Terpsichore,1. Die Perser, welche von Darius in Europa zurückgelassen worden waren unter dem Befehl des Megabyzus, unterwarfen von den Hellespontiern zuerst die Perinthier[*)] , welche dem Darius nicht unterthan sein wollten, früher auch von den Päonen hart mitgenommen worden waren. Es war nämlich an die Päonen vom Flusse Strymon[**)] ein Götterspruch ergangen, sie sollten zu Felde ziehen wider die Perinthier, und wenn die Perinthier ihnen gegenüber sich lagerten und mit Nennung ihres Namens sie zum Kampfe aufgefordert hätten, so sollten sie zum Angriff schreiten; wenn aber jene sie mit ihrem Namen nicht angerufen, keinen Angriff machen: dieses thaten auch die Päonen. Als die Perinthier ihnen gegenüber in der Vorstadt sich lagerten, so fand daselbst in Folge einer Herausforderung ein dreifacher Zweikampf statt; denn man ließ Mann wider Mann, Pferd wider Pferd und Hund wider Hund mit einander kämpfen. Wie nun aber die Perinthier in zweien dieser Kämpfe siegten und freudig den Päan (das Siegeslied) anstimmten, da merkten die Päonen[*)] , daß eben darauf der Götterspruch sich beziehe, und sprachen wohl zu einander: jetzt möchte unser Götterspruch in Erfüllung gehen; an uns ist es jetzt, zu handeln. Also machten die Päonen den Angriff auf die Perinthier, welche das Siegeslied gesungen hatten, gewannen auch einen großen Sieg und ließen nur wenige von ihnen übrig[**)] . 2. Also verhielt es sich mit dem, was von Seiten der Päonen früher geschehen war; damals aber stritten die Perinthier als tapfere Männer um ihre Freiheit, wurden jedoch von den Persern und von Megabyzus durch Uebermacht bezwungen. Nachdem nun Perinth bewältigt war, führte Megabyzus sein Heer durch Thracien und suchte jegliche Stadt und jegliches der dort wohnenden Völker dem Könige unterthan zu machen: denn dieß war ihm von Varius aufgetragen, Thracien[*)] zu unterwerfen, 3. Es ist aber das Volk der Thraker[**] ), nach den Indiern wenigstens, das größte von allen Menschen, und wenn es von Einem beherrscht würde oder unter sich einig wäre, so würde es nach meiner Meinung bei weitem das stärkste unter allen Völkern sein; aber dazu kann es nicht kommen, und es ist unmöglich, daß sie je eins werden: demzufolge sind sie allerdings schwach. Sie haben viele Namen, jedes Volk nach seiner Gegend, aber gleiche Sitten haben Alle in Allem, mit Ausnahme der Geten[***] ), der Trauser[†)] und der oberhalb Krestone[††)] Wohnenden. 4. Was von diesen die Geten thun, welche an die Unsterblichkeit glauben, ist von mir angegeben worden[†††)] ; die Trauser verrichten alles Andere auf dieselbe Weise, wie die übrigen Thraker; nur wenn Jemand bei ihnen geboren wird und wenn Jemand stirbt, thun sie Folgendes: wird Jemand geboren, so setzen sich die Anverwandten um ihn herum und klagen über all das Leid, das er, da er einmal geboren ist, erdulden muß, und zählen sie dabei alle menschlichen Leiden auf; dagegen den Gestorbenen bestatten sie zur Erde in aller Heiterkeit und in Freuden; dabei gedenken sie alles des Leids, von welchem er befreit, nun in aller Glückseligkeit sich befindet *). 5. Diejenigen aber, welche über den Krestonäern wohnen, thun Folgendes. Ein Jeder hat viele Weiber; ist nun einer von ihnen gestorben, so entsteht ein großer Streit unter den Weibern, und die Freunde ereifern sich gewaltig darüber, welche von denselben am meisten von dem Manne geliebt wurde. Diejenige nun, welcher dieseUns ziemte beim festlichen Gelag vereint das Haus Zu beweinen, wo ein Kind das Tageslicht erblickt, Der Menschen mannigfacher Uebel eingedenk; Doch wem der Tod der Mühen Last geendet hat, Dem, Freunde, zollt mit Freudigkeit die letzte Ehr'!Aber auch bei prosaischen Schriftstellern, namentlich einer späteren Zeit, finden wir diesen Gedanken an mehr als einer Stelle ausgesprochen, und erscheint diese Ansicht, auch wenn wir sie nicht auf den Orient zurückbeziehen wollen, wo wir auf Aehnliches stoßen, (wie z. B. im Prediger Salomonis 1 : "Besser ist der Tag des Todes, als der der Geburt," oder Hiob Xlv, 1 ff.), als eine unter den Griechen jedenfalls sehr verbreitete, welche auch von Herodotus um so mehr aufgenommen werden konnte, als sie mit seinen religiösen Ansichten und seiner dadurch bedingten Auffassung des menschlichen Lebens, wie wir sie in Solon's Auseinandersetzung I, 42 dargestellt finden, im Zusammenhang steht. Eher könnte man die Frage aufwerfen, wie es komme, daß Herodotus diese Ansicht in den Sitten eines thracischen Volkes ausgeprägt finde, da die Bewohner Thraciens sonst für roh und ungebildet bei den Griechen gelten: es mag dieß aber wohl mit dem 94 u. 95 berichteten Unsterblichkeitsglauben der Geten zusammenhängen, wie denn auch Pompejus Mela II 2 §. 3, wahrscheinlich dem Herodotus folgend, das was hier von den Trauben berichtet wird, den Geten zutheilt und mit ihrem Unsterblichkeitsglauben in Verbindung bringt, und mag auch Herodotus in dem, was er von den Sitten und Gebräuchen der Thracier hinsichtlich der Gestorbenen gehört hatte, eine Beziehung auf diesen Glauben erkannt und um so lieber mit Anschauungen und Ansichten der gebildeten hellenischen Welt Verbindung gebracht haben, Ehre zuerkannt worden ist, wird von Männern und Weibern gepriesen, über dem Grabe von ihrem nächsten Verwandten abgeschlachtet, und wenn sie geschlachtet ist, zugleich mit ihrem Manne begraben; die übrigen Weiber dagegen nehmen es als ein großes Leid, weil dieß bei ihnen für den größten Schimpf angesehen wird[*)][.] 6. Die übrigen Thracier haben folgenden Gebrauch: sie verkaufen ihre Kinder zur Ausfuhr in fremde Länder; die Jungfrauen bewachen sie nicht, sondern überlassen ihnen, umzugehen mit welchem Manne sie wollen: dagegen die Weiber bewachen sie gewaltig, auch kaufen sie die Weiber von ihren Eltern um schweres Geld[**)] . Für ein Zeichen edler Geburt gilt es, allerlei Male auf seiner Haut zu tragen[***)] ; wer dies nicht hat, gilt für unedel. Mäßig zu sein, gilt für das Höchste[†)] , das Feld zu bebauen, für das Entehrendste, vom Krieg und von Beute zu leben, für das Herrlichste. Dieß sind ihre hervorragendsten Gebräuche. 7. Von den Göttern verehren sie folgende allein: den Ares, den Dionysus und die Artemis; die Könige derselben verehren aber, gesondert von den übrigen Bürgern, am meisten unter den Göttern den Hermes; bei diesem allein schwören sie auch und behaupten, sogar von Hermes abzustammen[††)] . 8. Die Reichen unter ihnen haben folgende Leichenbestattung: Drei Tage lang stellen sie den Leichnam aus, schlachten mancherlei Opfer und halten einen Schmaus, nachdem sie zuvor den Todten beweint haben; alsdann bestatten sie denselben, indem sie ihn entweder verbrennen oder sonstwie in der Erde begraben[*)] . Darauf schütten sie einen Haufen Erde auf und stellen mancherlei Kampfspiele an, in welchen die größten Kampfpreise ausgesetzt werden, je nach Verhältniß des Zweikampfes. Dieß ist also die Bestattung der Thracier. 9. Was nordwärts von diesem Lande liegt, davon vermag Niemand genau anzugeben, was es für Menschen sind, welche dasselbe bewohnen, sondern erscheint schon das, was jenseits des Ister liegt, als eine unendliche Wüste[**)] . Ich kann auch, nach dem, was ich in Erfahrung gebracht, nur ein einziges Volk angeben, das jenseits des Ister wohnt und den Namen Sigynnen führen, sonst aber Medische Kleidung tragen soll. Ihre Pferde sollen zottelich sein am ganzen Körper, mit fünf Finger dicken Haaren bedeckt, dabei klein, stumpfnasig und unvermögend Männer zu tragen; dagegen wären sie, an den Wagen gespannt, sehr schnell, weßhalb die Eingeborenen mit Wagen herumführen. Die Grenzen derselben sollen nahe reichen bis zu den Enetern[*)][,] die am Adriatischen Meere wohnen; und behaupten sie Kolonisten der Meder zu sein; wie sie aber von Medern als Kolonisten abstammen sollen, vermag ich nicht einzusehen, wiewohl in der langen Zeit Alles möglich sein mag. Nun bezeichnen die Ligyer, welche über Massalia[**] ) landeinwärts wohnen, mit dem Namen Sigynnen die Krämer, die Cyprier aber die Speere. 10. Wie jedoch die Thracier behaupten, so haben Bienen[***)] das jenseits des Ister liegende Land inne, und vermag man vor diesen nicht weiter vorwärts hindurchzukommen. Mir nun erscheint diese Angabe nicht wahrscheinlich; denn diese Thiere vermögen bekanntlich keine Kälte zu ertragen; mir scheint vielmehr das unter dem Norden liegende Land unbewohnt zu sein wegen der Kälte[†)] . Dieses nun wird über jenes Land erzählt; die am Meere gelegenen Strecken desselben aber unterwarf Megabyzus den Persern. 11. Sowie nun Darius über den Hellespont gesetzt[††)] und nach Sardes gekommen war, gedachte er der von Histiäus aus Milet ihm erwiesenen Wohlthat[*)] , sowie des guten Raths des Koes[**)] von Mitylene; er ließ sie daher nach Sardes kommen und gab es ihnen frei, sich Etwas zu wählen. Histiäus verlangte, da er bereits über Milet gebot, nach keiner weitern Herrschaft, sondern erbat sich Myrcinus im Lande der Edonen[***)] , weil er dort eine Stadt gründen wollte; also wählte er dieses: Koes hingegen, da er ja noch kein Herrscher, sondern ein gewöhnlicher Bürger war, bat um die Herrschaft von Milet. Nachdem Beiden es gewährt worden, wendeten sie sich nach diesen Orten, gemäß ihrer Wahl. 12.-15 Es begab sich aber, daß Darius, weil er folgende Sache mit angesehen, Lust bekam, dem Megabyzus aufzugeben, die Päonen gefangen zu nehmen, dann aus Europa wegzuführen und nach Asien zu verpflanzen. Zwei Päonen nämlich, Pigres und Mantyes, welche selbst die Herrschaft über die Päonen gewinnen wollten, kamen, als Darius nach Asien übergesetzt hatte, nach Sardes und brachten zugleich ihre Schwester mit, welche groß und schön war; sie gaben aber Acht auf Darius, wenn er in der Vorstadt der Lyder auf seinem Throne saß, und thaten dann Folgendes. Sie kleideten ihre Schwester, so gut sie konnten, auf's Herrlichste an und schickten sie fort, um Wasser zu holen, mit einem Gefäß auf dem Kopfe, während sie ein Pferd am Arme leitete und einen linnenen Faden spann. Das Weib aber, als es vorüberging, erregte die Aufmerksamkeit des Darius; denn das, was das Weib that, war weder Persisch noch Lydisch, noch der Sitte irgend eines Volkes aus Asien entsprechend; da sie nun seine Aufmerksamkeit erregt hatte, so schickte er einige seiner Lanzenträger ab mit dem Befehl, Acht zu geben, was das Weib mit dem Pferde anfinge. So gingen diese nun hinter ihr her; das Weib aber, sowie sie an den Fluß gekommen, tränkte das Pferd, und nachdem sie dasselbe getränkt, füllte sie auch das Gefäß mit Wasser und zog dann desselben Weges wieder vorbei, das Wasser auf dem Kopf tragend, am Arme das Pferd leitend und die Spindel drehend. Darius, voll Verwunderung über das, was er von den Spähern vernommen, so wie über das, was er selbst sah, gab darauf den Befehl, das Weib zu führen vor sein Angesicht. Wie sie aber vorgeführt war, erschienen auch ihre Brüder, welche nicht ferne davon das Alles beobachtet hatten; und als Darius die Frage stellte, woher sie sei, erklärten die Jünglinge, sie seien Päonen und dieß sei ihre Schwester. Er aber erwiderte, was denn die Päonen für Leute seien, wo sie wohnten und in welcher Absicht sie nach Sardes gekommen wären. Darauf erklärten sie, sie wären gekommen, um sich ihm zu unterwerfen, Päonien aber mit seinen Städten läge am Fluß Strymon; der Strymon aber sei nicht ferne vom Hellespont und sie selbst wären Abkömmlinge der Teukrer aus Troja[*)] . Also gaben sie ihm Jegliches an, worauf er sie frug, ob denn dort auch alle Weiber so arbeitsam wären? Auch dieses bejahten sie sofort mit allem Eifer: denn eben deßhalb geschah ja von ihnen die Sache. Da schrieb Darius einen Brief an Megabyzus, welchen er als Feldherrn in Thracien zurückgelassen hatte, und trug ihm auf die Päonen aus ihren Wohnsitzen zu entfernen und zu ihm zu bringen, die Männer sammt ihren Weibern und Kindern. Mit dieser Botschaft eilte alsbald ein Reiter an den Hellespont, und als er darüber gesetzt war, übergab er den Brief dem Megabyzus, welcher, so wie er ihn gelesen, Führer aus Thracien nahm und wider das Land der Päonen zu Felde zog. Als die Päonen erfuhren, daß die Perser gegen sie anrückten, sammelten sie sich und zogen in's Feld nach dem Meere zu, weil sie glaubten, daß die Perser an dieser Seite den Einfall unternehmen würden. Also waren die Päonen bereit das heranrückende Heer des Megabyzus abzuhalten; als aber die Perser erfuhren, daß die Päonen sich zusammen geschaart und den Zugang vom Meere her bewachten, wendeten sie sich, da sie Führer hatten, nach dem oberen Wege[**)] , und fielen so, ohne daß die Päonen es merkten, auf ihre Städte, welche von Männern entblößt waren, und weil der Angriff auf leere Städte geschah, so bemächtigen sie sich derselben mit Leichtigkeit. Wie die Päonen aber merkten, daß ihre Städte von den Persern besetzt seien, so gingen sie alsbald auseinander und zerstreuten sich, ein Jeglicher in seine Heimat und übergaben sich den Persern. Auf diese Weise wurden von den Päonen die Siropäonen, die Päopler und die bis zum Prasischen See Wohnenden[*)] aus ihren Wohnsitzen weggeschleppt und nach Asien[**)] gebracht. 16. Dagegen die um das Pangäische Gebirg Wohnenden, die Doberen, Agrianen und Odomanten, sowie die um den Prasischen See selbst, wurden von Megabyzus nicht bezwungen, wiewohl er einen Versuch gemacht hatte, die an dem See Wohnenden auf folgende Weise zu bezwingen. Auf hohen Pfählen stehen mitten in dem See ineinandergefügte Bretter, welche vom Lande aus einen schmalen Zugang haben mittelst nur einer Brücke[***)] . Die Pfähle, welche unter diesen Brettern stehen, stellten vor Alters wohl alle Bürger gemeinsam auf; hernach aber machten sie ein Gesetz und stellten sie in der Art auf: Jeder, welcher heirathet, bringt für jede Frau, die er nimmt, aus einem Gebirge, welches den Namen Orbelus[*)] hat, drei Pfähle und stellt sie unter; ein Jeder aber nimmt viele Weiber. Hier wohnen sie nun auf solche Weise, daß ein Jeder über den Brettern eine Hütte hat, in der er lebt, und eine Fallthüre, welche durch die Bretter hindurch herunter geht in den See; und binden sie deßhalb die kleinen Kinder mit einem Strick am Fuß an, aus Furcht, sie möchten hinunter fallen. Ihren Pferden und ihrem Zugvieh reichen sie zum Futter Fische, die daselbst so zahlreich sind, daß, wenn Jemand die Fallthüre öffnet und einen leeren Korb mit einem Seile hinabläßt, er nicht lange Zeit zu warten hat, um ihn voll von Fischen heraufzuziehen. Es sind aber zwei Arten von Fischen, welche sie Papraken und Tilonen nennen[**)] . Also wurden diejenigen von den Päonen, welche bezwungen waren, nach Asien[***)] gebracht. 17.-20 Nachdem Megabyzus die Päonen bezwungen hatte, schickte er sieben Perser, welche nach ihm selbst die angesehensten im Heere waren, als Gesandte nach Macedonien; es wurden aber dieselben zu Amyntas[†)] gesandt, um Wasser und Erde für den König Darius zu verlangen[††)] . Von dem Prasischen See ist ein sehr kurzer Weg nach Macedonien; denn zuerst stößt an den See das Bergwerk[†††)] , aus welchem späterhin ein Silbertalent jeden Tag dem Alexander[*)] einging; nach dem Bergwerk ist man, wenn man das Gebirge, welches Dysoron[**)] heißt, überschritten hat, in Macedonien. Als nun die Perser, welche zu Amyntas abgesendet worden, angekommen waren, traten sie vor das Angesicht des Amyntas und verlangten für den König Darius Erde und Wasser. Dieser aber versprach es ihnen zu geben und lud sie zu einem Gastmahl ein; er ließ darauf ein prachtvolles Mahl herrichten und empfing die Perser auf eine freundliche Weise. Als aber dieses Mahl zu Ende war und sie mit einander um die Wette tranken, sprachen die Perser Folgendes: Macedonischer Gastfreund! Bei uns Persern ist es Sitte[***)] , wenn wir ein großes Mahl halten, dann auch die Kebsweiber und die ordentlichen Weiber mitzubringen und neben uns sitzen zu lassen. Da du nun bereitwillig uns empfangen hast, uns glänzend bewirthest und dem König Darius Erde und Wasser gibst, so folge unserer Sitte. Darauf erwiderte Amyntas :O Perser! bei uns wenigstens herrscht diese Sitte nicht, sondern vielmehr die, daß Männer getrennt sind von den Weibern[†)] ; da ihr aber, als unsere Herren, dieses noch weiter verlangt, so soll es euch auch zukommen. Nachdem Amyntas solches gesprochen, ließ er die Weiber holen, und als diese auf seinen Ruf gekommen waren, setzten sie sich der Reihe nach gegenüber den Persern. Wie da die Perser nun die schön gestalteten Weiber erblickten, sprachen sie zu Amyntas und behaupteten, das, was gethan, sei gar nicht klug; denn es wäre besser, die Weiber wären überhaupt gar nicht gekommen, als daß sie gekommen wären und nicht neben sie, sondern ihnen gegenüber sich gesetzt hätten, zum Leid ihrer Augen. Amyntas, auf diese Weise genöthigt, hieß sie dann sich neben die Perser setzen, und als die Weiber gehorchten, griffen die Perser alsbald an deren Brüste, weil sie allzu sehr trunken von Wein waren, und mancher versuchte auch wohl sie zu küssen. Wie dieß Amyntas bemerkte, verhielt er sich ruhig, so ärgerlich er darüber auch war, weil er vor den Persern allzu sehr sich fürchtete. Alexander aber, des Amyntas Sohn, welcher gleichfalls zugegen war und dieß mit ansah, war nicht im Stande, es noch länger auszuhalten, da er ein junger Mann war und noch nichts Schlimmes erfahren hatte; und so sprach er in seinem Aerger zu Amyntas Folgendes: O Vater, füge dich in dein Alter und begib dich zur Ruhe, bleibe nicht länger bei dem Trinkgelage, ich aber will hier an dieser Stelle bleiben und Alles, was nöthig ist, den Gästen darreichen. Darauf erwiderte Amyntas, der wohl merkte, daß Alexander ganz andere Dinge zu thun im Sinne hatte: O Sohn, ich begreife wohl deine Worte, da du von Zorn entbrannt bist; du willst mich fortschicken und dann etwas ganz Anderes beginnen. Ich bitte dich nun, Nichts der Art bei diesen Männern zu unternehmen, damit du uns nicht zu Grunde richtest; laß das, was du siehst, ruhig geschehen; hinsichtlich meines Weggehens aber will ich dir folgen, Als Amyntas nach dieser Bitte fortgegangen war, sprach Alexander zu den Persern: Ihr Gastfreunde, diese Weiber stehen euch ganz zu Diensten, wenn ihr sie alle beschlafen wollt oder nur einige derselben: darüber werdet ihr euch erklären; für jetzt — denn es kommt bald heran die Zeit des Schlafengehens für euch und ich sehe, ihr habt hübsch getrunken — entlasset diese Weiber, wenn es euch recht ist, zum Bade und nehmt sie dann wieder nach dem Bade. Nachdem er diese Worte gesprochen, so traten die Weiber, denn die Perser waren damit einverstanden, heraus und Alexander schickte sie in das Frauengemach; dann aber ließ er eine der Zahl der Weiber gleiche Anzahl von Männern mit glattem Kinn weibliche Kleidung anlegen, gab ihnen Dolche und führte sie herein; bei dem Hereinführen derselben sprach er dann zu den Persern Folgendes: O Perser! ihr seid hier, und könnt es wohl glauben, voll und reichlich bewirthet worden. Denn Alles, was wir hatten und was wir sonst noch aufzutreiben im Stande waren, steht euch zu Gebote, und sogar das, was von Allem das Größeste ist, unsere Mütter und Schwestern geben wir euch zum Besten, damit ihr erkennt, wie von unserer Seite euch alle Ehre erwiesen wird, die euch nur gebührt, und dann auch dem König, der euch hierher gesandt hat, meldet, wie ein Hellene, Statthalter der Macedonier[*)] , euch so herrlich aufgenommen hat, bei Tische, wie zu Bette. Nachdem Alexander diese Worte gesprochen, setzte er jedem Perser an die Seite einen Macedonier, angeblich eine Frau; als aber die Perser sie zu betasten versuchten, ermordeten sie dieselben. 21. Auf solche Weise kamen diese nun um's Leben, sie selbst, wie ihre Dienerschaft, denn es waren ihnen viele Wagen und Diener gefolgt mit dem ganzen zahlreichen Hausrath; Alles dieß ward zugleich mit ihnen allen bei Seite geschafft. Hernach aber, nicht lange Zeit darauf, wurde von Seiten der Perser große Nachforschung nach den Umgekommenen angestellt: allein Alexander fing sie durch Schlauheit, indem er viel Geld hingab, so wie seine eigene Schwester, welche Gygäa[**)] hieß; durch diese Gaben an Bubares[***)] , einen Perser, welcher der Anführer derjenigen war, welche nach den Umgekommenen forschten, hintertrieb Alexander die Sache, und so blieb der Tod dieser Perser, welcher entdeckt worden wäre, verschwiegen. 22. Daß aber die von Perdiccas Abstammenden Hellenen sind, wie sie selbst angeben, das weiß auch ich und werde in den spätern Geschichten[†)] darlegen, daß sie Hellenen sind, überdem haben auch die, welche zu Olympia das Kampfspiel der Hellenen leiten[††)] , sie dafür anerkannt. Als nämlich Alexander sich entschlossen hatte, an dem Kampfe Theil zu nehmen und zu diesem Zweck dahin zog, so versuchten die Hellenen, welche mit ihm in den Wettkampf eintreten wollten, ihn auszuschließen, indem sie behaupteten, es sei kein Kampf für Barbarische Kämpfer, sondern für Hellenische. Als jedoch Alexander bewiesen hatte, daß er ein Argiver sei[*] ), so erfolgte auch seine Anerkennung als Hellene; demgemäß ward er zum Wettlauf zugelassen und erhielt durch das Loos[**] ) seine Stelle in der ersten Reihe der Kämpfenden. Also nun geschah dieß. 23.-14 Megabyzus aber gelangte mit den Päonen an den Hellespont, und als er von da übergesetzt war, kam er nach Sardes. Weil nun damals schon Histiäus von Milet an der Stadt baute, welche er zum Geschenk von Darius, auf seine Bitte um eine Belohnung, erlangt hatte[***] ) für die Bewachung der Brücke (es liegt aber dieser Platz, welcher den Namen Myrcinus hat, am Flusse Strymon), so bemerkte Megabyzus das, was von Histiäus geschah und sprach, sowie er nach Sardes mit den Päonen gekommen war, zu Darius Folgendes: O König! was für eine Sache hast du da gemacht, daß du einem so gescheidten und klugen Hellenen gestattest, sich eine Stadt in Thracien anzulegen, wo Waldung zum Bau von Schiffen in Fülle vorhanden ist, wie Ruderholz und Silberbergwerke, eine zahlreiche Bevölkerung rings herum wohnt, sowohl von Hellenen wie von Barbaren; haben sie einmal einen Führer erlangt, so werden sie das thun, wozu jener sie anleitet, bei Tage wie bei Nacht. Darum thue Einhalt diesem Manne in seinem Beginnen, damit du nicht in einen innern Krieg verwickelt wirst; laß ihn zu dir rufen und bringe ihn ab auf eine milde Weise; hast du ihn aber in deine Gewalt bekommen, so mußt du es so anlegen, daß er nicht mehr wieder zu den Hellenen kommt. Mit diesen Worten beredete Megabyzus den Darms leicht, weil er wohl voraussah, was kommen würde. Darius aber schickte darauf einen Boten nach Myrcinus und ließ Folgendes dahin sagen: Histiäus, also spricht der König Darius: bei näherer Ueberlegung finde ich keinen Mann, der gegen mich und mein Reich besser gesinnt ist, als du, das habe ich nicht durch Worte, sondern durch Thaten erfahren. Da ich nun jetzt große Dinge ausguführen gedenke, so komme du ganz zu mir, damit ich mit dir darüber berathe. Histiäus vertraute diesen Worten, und da er es zugleich sehr hoch anschlug, einer der Räthe des Königs zu werden, so begab er sich nach Sardes. Als er dort angekommen war, sprach zu ihm Darius Folgendes: Histiäus, ich habe dich aus folgender Ursache zu mir entboten. Sobald ich aus dem Lande der Scythen zurückgekehrt und du mir aus den Augen gekommen warst, hat mich in der kurzen Zeit nach nichts Anderem so sehr verlangt, als dich zu sehen und mit dir zu sprechen, weil ich überzeugt bin, daß es keinen herrlicheren Schatz unter Allem gibt, als einen verständigen und wohlgesinnten Freund[*] ). Beides habe ich in dir erkannt und kann es bezeugen in Bezug auf meine Angelegenheiten. Darum nun — denn du hast wohl daran gethan, zu mir zu kommen — schlage ich dir Folgendes vor: Laß Miletus fahren und die neugegründete Stadt in Thracien; folge mir nach Susa, du sollst haben, was ich nur immer habe, und mein Tischgenosse[**] ) und Rathgeber sein. 25. Nachdem Darius dieß gesagt und den Artaphernes, seinen Bruder mütterlicher Seits, zum Statthalter in Sardes eingesetzt hatte, zog er fort nach Susa[*)] und nahm den Histiäus mit sich; zum Anführer der an der Meeresküste befindlichen Truppen **) ernannte er den Otanes, dessen Vater Sisamnes, einen der königlichen Richter, der König Cambyses hatte hinrichten und dann ihm die ganze Haut abziehen lassen[***)] , weil er ein ungerechtes Urtheil um Geld gesprochen hatte; aus der' abgeschundenen Haut hatte dann Cambyses Riemen schneiden und in den Stuhl einfügen lassen, auf welchem jener saß, wenn er Recht sprach. Und nachdem Cambyses dieß gethan, ernannte er an die Stelle des Sisamnes, den er hatte hinrichten und dem er die Haut hatte abziehen lassen, zum Richter den Sohn des Sisamnes mit der Weisung, er solle eingedenk sein, auf welchem Stuhl er sitze und Recht spreche. 26.-27 Dieser Otanes, der auf diesen Stuhl gesetzt ward, folgte dem Megabyzus im Oberbefehl über das Heer und bezwang die Byzantier und Chalcedonier[†)] , auch eroberte er das auf dem Trojanischen Gebiet gelegene Antandrus[††)] , so wie Lamponium, und nachdem er von den Lesbiern Schiffe erhalten hatte, auf gleiche Weise Lemnus und Imbrus, welche beide Inseln damals noch von den Pelasgern[*)] bewohnt waren. Die Lemnier nun hatten tapfer gestritten und eine Zeit lang Widerstand geleistet; dann aber waren sie unterlegen, und nun setzten die Perser zum Statthalter über die Ueberlebenden ein den Lykaretus, den Bruder des Mäandrius, der über Samus geherrscht hatte[**)][.] Dieser Lykaretus starb als Statthalter zu Lemnus. Die Ursache von Allem dem war folgende. (Otanes) machte Alle zu Sklaven und unterwarf sich Alles, indem er den Einen zur Schuld rechnete, daß sie zurückgeblieben von dem Heereszug wider die Scythen, den Andern, daß sie dem aus dem Scythenlande zurückkehrenden Heere des Darius Schaden zugefügt hätten. So Vieles führte dieser also aus während seines Oberbefehls. 28. Nach nicht langer Zeit trat eine Erleichterung in der schlimmen Lage ein, dann sollte es noch einmal den Ioniern schlimm ergehen von Naxus und Milet her. Denn einestheils ragte Naxus durch seinen Reichthum vor den (übrigen) Inseln[***)] hervor, andererseits war damals Miletus in der That zu seiner höchsten Blüthe gelangt, ja es galt sogar für die Perle von Jonien, während es vor dieser Zeit, zwei Menschenalter hindurch, durch inneren Zwist außerordentlich gelitten hatte[†)] , bis die Parier denselben beschwichtigten; denn diese hatten die Milesier sich unter allen Hellenen zu Schiedsrichtern genommen[*)] . 29. Es brachten aber die Parier die Aussöhnung unter ihnen auf folgende Weise zu Stande. Als ihre Männer, und zwar die vornehmsten der Stadt, nach Milet gekommen waren, und hier bald wahrnahmen, in welch arger Zerrüttung sich Alles befände, so erklärten sie, sie wollten das Land von Milet durchwandern. Sie thaten dieß auch und durchwanderten das ganze Milesische Gebiet; wo sie nun in dem verödeten Lande einen wohl bestellten AM erblickten, schrieben sie sich den Namen des Besitzers des Feldstückes auf. Nachdem sie auf diese Weise das ganze Gebiet durchzogen und nur eine geringe Anzahl solcher Besitzer gefunden hatten, kehrten sie alsbald in die Stadt zurück, beriefen sofort eine Versammlung und bezeichneten diejenigen, deren Felder sie wohl bestellt gefunden hatten, für die Verwaltung der Stadt, mit der Erklärung, sie meinten, daß diese Männer eben so gut für das Wohl des Staates Sorge tragen würden, wie für das eigene; den übrigen Milesiern, welche vorher in Zwist gestanden hatten, legten sie auf, diesen Männern zu gehorchen. Auf diese Weise nun stellen die Parier die Ordnung in Miletus wieder her. 30. Damals aber begann aus diesen Städten Unheil hervorzugehen für Jonien auf folgende Weise. Es waren aus Naxus durch das Volk Einige von den Vornehmen[**)] vertrieben worden, welche in Folge ihrer Vertreibung nach Milet kamen. Milet verwaltete damals gerade Aristagoras, der Sohn des Molpagorgs, der Schwager und Vetter des Histiäus, des Sohnes des Lysagoras, welchen Darius zu Susa bei sich hielt. Denn Histiäus war Gewalt haber von Milet und befand sich gerade zu der Zeit in Susa, als die Naxier ankamen, welche schon vorher Gastfreunde des Histiäus waren. Als nun die Naxier nach Milet gekommen waren, wendeten sie sich an Aristagoras mit der Bitte, ob er ihnen nicht zu einiger Heeresmacht verhelfen könne und es ihnen dann möglich wäre, in ihr Vaterland zurückzukehren. Dieser aber überlegte wohl, daß er, wenn diese durch seinen Beistand in die Stadt zurückkämen, Herr von Naxus werden würde; indem er daher die Gastfreundschaft des Histiäus zum Vorwand nahm, machte er ihnen folgenden Vorschlag: ich selbst kann euch nicht verbürgen, eine solche Heeresmacht euch zu verschaffen, die im Stande wäre, euch wider den Willen der Naxier, die im Besitze der Stadt sind, zurückzuführen. Denn ich höre, daß die Naxier achttausend Schildbewaffnete haben und zahlreiche Kriegsschiffe[*)] ; ich will mit allem Eifer darauf bedacht sein, und zwar, denke ich, auf folgende Weise: Artaphernes ist ja mein Freund, dieser Artaphernes aber ist der Sohn des Hystaspes und der Bruder des Königs Darius; er gebietet über Alle, die an der Küste Asiens[**)] wohnen, und hat ein zahlreiches Heer und viele Schiffe zu seiner Verfügung; ich glaube, daß dieser Mann Alles thut, worum wir ihn bitten. Wie dieß die Naxier vernommen hatten, so überließen sie es ganz dem Aristagoras, so gut es zu machen, wie er nur könne, und baten ihn Geschenke zu versprechen, sowie den nöthigen Aufwand für das Heer, da sie selbst alle Kosten tragen würden, weil sie große Hoffnung hatten, wenn sie nur bei Naxus erscheinen würden, so würden die Naxier Alles thun, was man nur von ihnen verlange, und eben so auch würden es die Bewohner der übrigen Inseln machen, denn keine von diesen Cycladischen Inseln war noch dem Darius unterthan. 31.-32 Aristagoras begab sich darauf nach Sardes und bemerkte dem Artaphernes, wie Naxus eine an Umfang zwar nicht große, im Uebrigen aber schöne und fruchtbare Insel sei[*)] , nahe bei Jonien gelegen, darinnen aber wären viele Schätze und viele Sklaven. Unternimm nun einen Kriegszug wider dieses Land und führe die aus demselben Entflohenen wieder in dasselbe zurück. Entschließest du dich dazu, so liegen erstens bei mir bedeutende Mittel in Bereitschaft, außer dem Aufwande für das Heer — denn es ist billig, daß wir, als die Führer, diesen bestreiten — dann aber wirst du dem König noch einige Inseln dazu erobern, Naxus selbst und die davon abhängigen Parus und Andrus, und andere, die sogenannten Cycladen. Von da aus wirst du weiter gehen und mit Leichtigkeit Euböa angreifen, eine große und reiche Insel, welche nicht geringer ist als Cypern und ganz leicht zu erobern. Hundert Schiffe genügen, um alle diese Inseln in deine Gewalt zu bringen. Darauf erwiderte Jener Folgendes: Du zeigst dich dem Hause des Königs als einen Rathgeber zu guten Dingen; dein Rath ist in Allem gut, außer in Bezug auf die Zahl der Schiffe. Statt hundert Schiffen werden mit dem Eintritt des Frühlings zweihundert in Bereitschaft für dich sein. Es muß aber auch der König selbst dazu seine Zustimmung geben. Als Aristagoras dieß gehört hatte, kehrte er voll Freude nach Milet zurück; Artaphernes aber, als er auf seine Sendung nach Susa und Vorlage der Vorschläge des Aristagoras die Zustimmung des Darius selbst erhalten hatte, rüstete zweihundert Triremen, so wie ein sehr zahlreiches Heer von Persern wie von den übrigen Verbündeten[**)] , und ernannte zum Feldherrn über dieselben den Megabates, einen Perser aus dem Stamme der Achämeniden, seinen eigenen wie des Darius Vetter, dessen Tochter, wenn anders die Angabe wahr ist[***)][,] einige Zeit nachher der Lacedämonier Pausanias, des Kleombrotus Sohn, freiete, da ihn gelüstete Herrscher von Hellas zu werden. Nachdem Artaphernes den Megabates zum Feldherrn ernannt hatte, ließ er das Heer zum Aristagoras abgehen. 33.-34 Megabates nahm dann von Milet den Aristagoras und das Ionische Heer, so wie die Naxier mit und schiffte, dem Vorgeben nach, dem Hellespont zu. Als er aber bei Chius war, steuerte er mit seinen Schiffen nach Kaukasa[*)][,] in der Absicht, von da mit günstigem Winde nach Naxus überzusetzen. — Da trug sich — denn die Naxier sollten nun einmal durch diese Flotte nicht zu Grunde gehen[**)] — folgendes Ereigniß zu. Als Megabates die Runde machte bei den auf den Schiffen aufgestellten Wachen, fand sich auf einem Schiffe von Myndus[***)] Niemand auf der Wache. Megabates ward darüber aufgebracht und befahl seinen Lanzenträgern, den Befehlshaber dieses Schiffes, dessen Name Scylax[†)] war, ausfindig zu machen, ihn dann zu binden und durch das unterste Ruderloch des Schiffes in der Art zu stecken, daß der Kopf außen, der Leib aber inwendig lag. Wie nun Scylax gebunden war, so meldete Jemand dem Aristagoras, daß Megabates seinen Gastfreund aus Myndus habe binden lassen und schmählich mit ihm umgehe. Aristagoras eilte sogleich zu dem Perser und legte Fürbitte für seinen Freund ein; als er aber keine Gewährung seiner Bitte fand, so ging er selbst hin und machte denselben frei. Wie dieß Megabatas erfuhr, ward er sehr aufgebracht und ließ an dem Aristagores seinen Zorn aus. Dieser aber sprach: Was hast du denn mit dieser Sache zu schaffen? Hat dich nicht Artaphernes abgeschickt, mir zu folgen und dahin zu schiffen, wohin ich dich auffordere? Was machst du so viele Umstände? Also sprach Aristagoras; jener aber gerieth darüber in Zorn und schickte, so wie es Nacht geworden war, auf einem Fahrzeug Leute nach Naxus, welche den Naxiern Alles, was ihnen bevorstehe, sagen sollten. Die Maxier nämlich hatten durchaus nicht erwartet, daß dieser Zug gegen sie sich richten werde; wie sie aber davon Kunde erhielten, brachten sie sogleich Alles aus dem Felde innerhalb der Mauern und sahen sich vor in Erwartung einer Belagerung, führten auch Speise und Trank innerhalb der Mauern ein. Also rüsteten sich dieselben in Erwartung des über sie kommenden Krieges; Jene aber, nachdem sie von Chius mit ihren Schiffen nach Naxus übergesetzt waren, fanden Naxus im besten Vertheidigungsstande und belagerten die Stadt vier Monate lang. Als nun die Perser das Geld, das sie mitgebracht, aufgezehrt hatten und Aristagoras selbst Vieles außerdem verwendet hatte, die Belagerung aber immer mehr erheischte, so erbauten sie für die Naxischen Flüchtlinge Festungen und kehrten übel zugerichtet auf das Festland zurück. 35. Aristagoras konnte auf diese Weise sein Versprechen an Artaphernes nicht erfüllen; zugleich drückte ihn der Aufwand für das Heer, der von ihm verlangt ward, und er gerieth in Furcht, weil das Heer übel zugerichtet und er selbst mit dem Megabates verfeindet war; er kam daher auf den Gedanken, er würde die Herrschergewalt zu Milet verlieren, und weil er dieß Alles befürchtete, so dachte er bei sich an einen Abfall. Denn es traf damit zusammen, daß auch der von Histiäus aus Susa mit beschriebenem Haupte entsendete Bote ankam, welcher dem Aristagoras die Weisung zu einem Abfall vom König bringen sollte. Histiäus nämlich, welcher dem Aristagoras ein Zeichen zum Abfall geben wollte, vermochte dieß, weil die Wege bewacht wurden, auf keine andere Weise mit Sicherheit zu bewerkstelligen, als daß er dem treuesten seiner Sklaven die Haupthaare abschnitt und das Haupt dann beschrieb, darauf aber wartete, bis die Haare wieder gewachsen waren. So wie aber dieselben wieder gewachsen waren, schickte er ihn fort nach Milet, mit keinem andern Auftrag, als, wenn er nach Milet gekommen wäre, dem Aristagoras zu sagen, er solle ihm die Haare abschneiden und dann auf seinen Kopf einen Blick werfen. Die Schriftzeichen nämlich erhielten, wie dieß auch von mir vorher bemerkt worden, die Weisung zum Abfall. Dieß that Histiäus, weil seine Zurückhaltung in Susa ihm sehr zu Herzen ging; wenn es nun zu einem Abfall käme, so hatte er große Hoffnung, nach dem Meere entlassen zu werden, wenn aber Milet gar Nichts anfinge, konnte er nicht darauf rechnen, je wieder dahin zu kommen. 36. In dieser Erwägung nun schickte Histiäus den Boten ab; bei Aristagoras aber traf dieß Alles zu derselben Zeit zusammen. Er berieth sich daher mit seinen Anhängern, denen er seine eigene Meinung kund gab, so wie das, was von Histiäus ihm zugekommen war. Alle die Andern nun waren der gleichen Meinung und riethen zum Ersten, überhaupt einen Krieg mit dem König der Perser anzufangen, indem er alle die Völker, über welche Darius gebot, aufzählte, so wie die Macht desselben; als er aber nicht durchdringen konnte, so gab er ihnen zum Zweiten den Rath, es so anzufangen, daß sie mit ihren Schiffen Herren der See würden. Denn, fuhr er fort, er sähe nicht ein, wie sie auf eine andere Weise es ausführen könnten; er wisse ja, wie schwach die Macht der Milesier sei; wenn aber aus dem Heiligthum der Branchiden die Schätze, welche Krösus, der Lydier, dahin gestiftet hatte[**)] ), weggenommen würden, so hätte er große Hoffnung, daß sie zur Seeherrschaft gelangen würden; auf diese Art würden auch sie selbst diese Schätze verwenden können und die Feinde sie nicht plündern. Es waren aber diese Schätze bedeutend wie von mir in dem ersten Buche angegeben worden ist[***)] . Die Meinung ging indessen nicht durch, man beschloß demungeachtet den Abfall; und sollte Einer von ihnen nach Myus zu der Flotte fahren, die von Naxus zurückgekommen war und dort lag[†)][,] und den Versuch machen, die Feldherrn, welche auf den Schiffen sich befanden, festzunehmen. 37.-38 Zu diesem Zweck ward Jatragoras abgeschickt, und nachdem es ihm gelungen war, durch List den Oliatus, den Sohn des Ibanolis aus Mylasa[*)] , den Histiäus, des Tymnes Sohn aus Termera[**)] ,den Koes, des Erxander Sohn, welchem Darius Milet geschenkt hatte[***)] , den Aristagoras, des Herakleides Sohn aus Kumä, und viele Andere festzunehmen, da nun trat Aristagoras offen mit seinem Abfall auf und bot alles Mögliche wider Darius auf. Zuerst legte er vorgeblich seine Herrschaft nieder und führte Gleichheit[†)] vor dem Gesetz in Milet ein, damit die Milesier geneigt wären, mit ihm abzufallen; hernach that er auch in dem übrigen Jonien das Gleiche, indem er einige ihrer Herrscher vertrieb, während er die andern von den Schiffen, welche den Zug nach Samus mitgemacht hatten und von ihm gefangen worden waren, um sich freundlich den Städten zu erweisen, an dieselben auslieferte, einen jeden an die Stadt, aus der er war. Den Koes nun führten die Mitylenäer, so wie sie ihn erhalten hatten, hinaus und steinigten ihn[††)] , die Kumäer aber entließen den ihrigen, und eben so machten es auch die meisten andern. So trat nun ein Ende der Alleinherrschaft in diesen Städten ein. Aristagoras von Milet aber, nachdem er die Alleinherrscher gestürzt hatte, forderte die Städte auf, in einer jeden einen Feldherrn[†††)] aufzustellen, und schiffte sich dann auf einem Dreiruderer ein nach Lacedämon. Denn es war für ihn allerdings ein Bedürfniß, irgend eine bedeutende Bundesgenossenschaft aufzufinden. 39.-40 Es war damals Anaxandrides[*)] , des Leon Sohn, welcher König über Sparta war, nicht mehr am Leben, sondern gestorben, und Kleomenes, des Anaxandrides Sohn, hatte die königliche Würde erlangt, nicht um seiner Tüchtigkeit willen, sondern in Folge seiner Geburt[**)] . Anaxandrides nämlich hatte die Tochter seiner Schwester zur Frau, und obwohl diese ihn von Herzen liebte, so hatten sie doch keine Kinder bekommen. Unter diesen Verhältnissen ließen ihn die Ephoren[***)] zu sich rufen und sprachen zu ihm: wenn du fürwahr für dich nicht sorgest, so dürfen wir doch nicht ruhig zusehen, daß das Geschlecht des Eurysthenes[†)] aussterbe. Darum entlasse das Weib, das du jetzt hast, da sie dir keine Kinder geb art, und nimm eine andere zur Ehe: thust du dieß, so wirst du den Spartanern gefallen. Er aber erwiderte ihnen, er werde keines von beiden thun, und hätten sie Unrecht, ihm einen solchen Rath zu geben und ihm zuzumuthen, das Weib, das er habe, zu entlassen, da sie doch keine Schuld wider ihn trage, und eine andere Frau zu sich zu nehmen; er werde ihnen daher nicht Folge leisten. Dem zufolge traten die Ephoren und die Greise[††)] zu einer Berathung zusammen und machten dann dem Anaxandrides folgenden Vorschlag: Da wir wohl sehen, daß du von der Frau, die du hast, nicht lassen willst, so thue Folgendes und widersetze dich dem nicht, damit die Spartaner nicht einen andern Beschluß hinsichtlich deiner zu fassen genöthigt sind. Wir verlangen von dir nicht die Entlassung der Frau, welche du hast: gib ihr vielmehr Alles, was du ihr jetzt gibst, und nimm zu dieser noch eine andere Frau, welche dir Kinder gebären kann. Auf diesen Vorschlag ging Anaxandrides ein, und da er nachher zwei Weiber hatte, so hatte er auch eine doppelte Haushaltung, was ganz der Spartanischen Sitte zuwider war[*][)] . 41. Es verstrich aber nicht lange Zeit, als die später hinzugekommene Frau eben jenen Kleomenes gebar; und während sie auf diese Weise einen Nachfolger dem Könige zur Welt brachte, traf es sich, daß auch die frühere Frau, welche in der früheren Zeit keine Kinder bekommen, damals auch, und zwar ganz zufällig, schwanger wurde. Da sie nun in Wahrheit schwanger war, und die Verwandten der hinzugekommenen Frau dieß erfuhren, so erhoben diese großen Lärm, indem sie behaupteten, es sei dieß nichts anders als eine Prahlerei von ihr, weil sie ein Kind unterschieben wolle. Und da sie gewaltig darüber tobten, so setzten sich, als die Zeit der Geburt herannahte, die Ephoren, weil sie es nicht glauben konnten, um die kreisende Frau und bewachten sie. Sie aber gebar den Dorieus, und als sie diesen zur Welt gebracht, empfing sie sofort den Leonidas und nach diesem weiter den Kleombrotus. Einige behaupten sogar, Kleombrotus und Leonidas seien Zwillinge gewesen. Aber die andere später hinzugekommene Frau, welche den Kleomenes geboren hatte und eine Tochter des Prinetadas war, des Sohnes des Dermamenus, gebar nicht mehr wieder. 42. Kleomenes nun war, wie man sagt, nicht recht bei Sinnen, sondern ganz rasend, Dorieus dagegen unter allen seinen Altersgenossen der erste, der auch wohl wußte, daß, der Tüchtigkeit nach, ihm die königliche Würde zukomme. Weil er nun dieser Ansicht war, so nahm er, als Anaxandrides gestorben war und die Lacedämonier, dem Herkommen gemäß, Kleomenes als den ältesten zum König erhoben, dieß sehr übel, und wollte durchaus nicht dem König Kleomenes unterthan sein; er bat daher um Volk und führte eine Anzahl Spartaner fort in eine Kolonie, ohne vorher das Orakel zu Delphi zu befragen, in welches Land er ziehen solle, um eine Niederlassung zu gründen, und ohne irgend Etwas von dem zu thun, was in solchen Fällen üblich ist[*)] , sondern in seinem Aerger fuhr er mit seinen Schiffen nach Libyen; Männer aus Thera[**)] waren dabei seine Führer. Und als er gekommen war an den Cinyps[***)] , siedelte er sich in einer der schönsten Gegenden Libyens am Flusse an: aber schon im dritten Jahre wurde er von da vertrieben durch die Mater[†)] , Libyer und Carthager ††), und kam dann wieder nach dem Peloponnes. 43. Hier nun gab ihm Antichares aus Eleon[†††)] den Rath, nach den Orakelsprüchen des Laius[*†)] , Herakleia in Sicilien zu gründen, indem er behauptete, das ganze Land des Eryx[*)] gehöre den Herakliden, und Hercules selbst habe es erworben. Wie dieß Dorieus vernommen hatte, eilte er nach Delphi, um das Orakel zu befragen, ob er das Land, wohin er zu ziehen gedenke, einnehmen werde; die Pythia ertheilte ihm darauf die Antwort, er werde es einnehmen. Da nahm Dorieus die Flotte, die er auch nach Libyen geführt, und fuhr an Italien vorüber. 44.-45 Um diese Zeit aber, erzählen die Sybariten[**)] , hätten sie selbst und ihr König Telys wider Kroton zu Felde ziehen wollen, die Krotoniaten dagegen voll von Furcht, hätten sich an Dorieus mit der Bitte um Beistand gewendet und diesen auch erlangt; so nahm nun Dorieus Theil an dem Feldzug wider Sybaris, wie auch an der Eroberung der Stadt. Dieses also that Dorieus und seine Leute, wie die Sybariten erzählen. Die Krotoniaten dagegen behaupten, kein Fremder hätte an ihrem Kriege mit den Sybariten Theil genommen, außer allein Kallias, ein Seher aus Elis, einer von den Iamiden[***)] , und zwar auf folgende Weise: er sei von Telys, dem Herrscher von Sybaris, entwichen, und so zu ihnen gekommen, weil das Opfer, das er darbrachte zu dem Zug wider Kroton, nicht günstig ausgefallen. Dieß nun behaupten die Krotoniaten. Es führen aber beide folgende Zeugnisse dafür an: die Sybariten eine geheiligte Stätte und einen Tempel, welcher neben dem trockenen Krathis[†)] sich befindet, von Dorieus, wie sie behaupten, nach Eroberung der Stadt erbaut der Athene mit dem Beinamen der Krathischen; einen Hauptbeweis aber finden sie in dem Tod des Dorieus selbst, weil er, da er wider das Orakel gehandelt, umgekommen sei. Wenn er nemlich nichts weiter gethan, sondern blos das, was er bei seinem Zuge beabsichtigt, ausgeführt hätte, so würde er das Erycinische Land erobert und nach der Eroberung auch behauptet haben, keineswegs aber mit seinem Heere umgekommen sein. Die Krotoniaten dagegen führen viele ausgewählte Ländereien an, welche in dem Gebiete der Krotoniaten dem Kallias von Elis geschenkt worden sind, und auch im Besitze der Nachkommen des Kallias bis auf meine Zeit waren, während Dorieus und die Nachkommen desselben nichts erhalten hätten: man würde ihm aber doch, wenn er an dem Sybaritischen Kriege mit Antheil genommen hätte, noch viel mehr gegeben haben als dem Kallias. Dieß sind die Zeugnisse, welche Beide für sich anführen, und kann ein Jeder denjenigen beipflichten, welchen er Glauben schenkt. 46.-47 Es schifften aber zugleich mit Dorieus auch andere Spartaner als Ansiedler mit, Thessalus, Paräbates, Keleas und Euryleon, welche, nachdem sie mit der gesammten Flotte nach Sicilien gekommen waren, dort ihren Tod fanden, indem sie in einer Schlacht den Phöniciern und Egestäern unterlagen. Der einzige, Euryleon, unter den Ansiedlern überlebte diese Niederlage. Er nahm nun die Ueberbleibsel des Heeres und besetzte Minoa[*)][,] die Kolonie der Selinuntier, leistete denselben auch Beistand in der Befreiung von ihrem Alleinherrscher Peithagoras. Hernach aber, als er diesen gestürzt, strebte er selbst nach der Herrschaft über Selinus und war auf eine kurze Zeit Alleinherrscher: denn die Selinuntier standen wider ihn auf und tödteten ihn, als er zu dem Altar des Zeus auf dem Markte seine Zuflucht genommen hatte. Zugleich mit dem Dorieus kam auch um Philippus, des Butacides Sohn, welcher ihm gefolgt war, ein Krotoniate, welcher um die Tochter des Telys, des Königs der Sybariten, gefreiet hatte, und darum von Kroton entflohen war; als aber aus der Heirath nichts geworden war, schiffte er sofort nach Cyrene, und schloß sich von da aus, mit einem eigenen Dreiruderer und einer auf seine Kosten zusammengebrachten Schaar, jenem an; er hatte früher zu Olympia gesiegt und war einer der schönsten Hellenen seiner Zeit; wegen seiner Schönheit hatte er von den Egestäern erlangt, was kein Anderer je erlangt hatte; auf seinem Grabe nemlich erbauten sie eine Kapelle und bringen ihm Sühnopfer dar[*] ). 48. Auf solche Weise kam Dorieus um: hätte er sich den Kleomenes zum König gefallen lassen und wäre er zu Sparta geblieben, so würde er König von Lacedämon geworden sein. Denn Kleomenes herrschte nicht lange Zeit, sondern starb ohne männliche Nachkommenschaft mit Hinterlassung einer einzigen Tochter, welche den Namen Gorgo hatte[**] ). 49.-50 Aristagoras, der Tyrann von Milet, kam nun nach Sparta, während Kleomenes im Besitze der Herrschaft war: zu diesem begab er sich auch zum Zwecke einer Unterredung, wobei er, wie die Lacedämonier behaupten, eine eherne Tafel[***] ) hatte, auf welcher der Umfang der ganzen Erde eingeschnitten war, und jegliches Meer wie alle Flüsse. Wie nun Aristagoras zum Reden kam, sprach er zu ihm Folgendes: Kleomenes, wundere dich nicht über den Eifer, mit dem ich hierher gekommen bin: denn die gegenwärtige Lage ist solcher Art: daß die Söhne der Ionier Sklaven sind statt Freie, ist zwar für uns selbst die größeste Schmach und der ärgste Kummer, für euch aber unter den übrigen Griechen um so mehr, als ihr an der Spitze von Hellas steht[*)][.] Darum bitte ich euch bei den Hellenischen Göttern, errettet jetzt aus der Knechtschaft die Ionier, welche eure Blutsverwandte sind. Leicht aber kann euch dieß gelingen. Denn die Barbaren sind mit nichten tapfere Leute, ihr dagegen nehmt im Krieg die erste Stelle ein von wegen eurer Tapferkeit; auch ist der Kampf derselben von der Art, daß sie blos Bogen[**)] und einen kurzen Speer führen; mit weiten Hosen angethan gehen sie in den Kampf und tragen auf ihren Häuptern Turbane: so leicht sind sie zu bewältigen. Dann besitzen aber auch die, welche jenes feste Land bewohnen, solche Güter, wie sie alle andere Völker zusammen nicht besitzen: Gold, um damit den Anfang zu machen, Silber und Erz, bunte Kleider, Zugvieh und Sklaven, das Alles könnt ihr haben, wenn ihr nur es wollt. Es wohnen aber dieselben so, daß sie an einander stoßen, wie ich es angeben werde. Hier an die Ionier stoßen die Lydier, welche ein fruchtbares Land bewohnen und den größesten Reichthum an Silber besitzen[***] ). Und bei diesen Worten zeigte er auf den Umkreis der Erde, eingeschnitten auf der Tafel, die er mit sich führte. An die Lydier, fuhr dann Aristagoras fort, stoßen hier die Phrygier, die nach Osten zu wohnen, und den größesten Reichthum an Heerden, wie an Frucht, unter Allen, die ich kenne, besitzen. An die Phrygier stoßen die Kappadoker, welche wir Syrier nennen[†][);] an diese gränzen die Cilicier, welche sich bis an dieses Meer[††] ) hin erstrecken, in welchem hier die Insel Cypern liegt, und dem König einen jährlichen Tribut von fünfhundert Talenten entrichten[*)] . An diese Cilicier stoßen hier die Armenier[**)] , welche gleichfalls einen Reichthum von Heerden besitzen, an die Armenier aber gränzen die Matiener[***)] , welche dieses Land hier inne haben. An diese stößt die Landschaft Kissien[†)] und darin liegt hier am Flusse Choaspes[††)] jenes Susa[†††)] , wo der Großkönig seinen Aufenthalt nimmt und wo auch seine Schatzkammern sind. Habt ihr aber diese Stadt genommen, so könnt ihr schon getrost mit dem Zeus in einen Wettstreit um den Reichthum euch einlassen. Müßt ihr doch um ein nicht großes und nicht einmal so gutes Land und um geringer Gränzen willen einen Kampf mit den Messeniern[*†)] wagen, die euch im Kampfe gewachsen sind, und mit den Arkadiern und Argivern[*††)] , welche doch auch gar nichts von Gold oder Silber haben, hinsichtlich dessen wohl auch Jemand verleitet würde, sein Leben im Kampfe einzusetzen. Da euch aber die Gelegenheit gegeben ist, über ganz Asien auf leichte Weise die Herrschaft zu gewinnen, werdet ihr etwas Anderes wählen? Das war die Rede des Aristagoras. Kleomenes aber gab ihm darauf folgende Antwort: Gastfreund von Milet! ich setze die Antwort auf drei Tage weiter hinaus. Damals waren also beide so weit gekommen: als aber der bestimmte Tag der Antwort eingetroffen und sie an den verabredeten Ort gekommen waren, richtete Kleomenes an den Aristagoras die Frage, wie viele Tagereisen es sei von dem Meere der Ionier aus zu dem Könige. Aristagoras, der sonst ein kluger Mann war, der jenen wohl zu täuschen verstand, verfehlte es jedoch in seiner Antwort. Denn er durfte die Wahrheit nicht sagen, wenn er die Absicht hatte, die Spartaner aus ihrer Heimath nach Asien zu bringen; so aber gab er in seiner Antwort den Weg landeinwärts auf drei Monate an. Da fiel jener ein und ließ den Aristagoras in dem, was er über den Weg weiter noch bemerken wollte, gar nicht mehr zum Worte kommen, sondern sagte zu ihm: o Gastfreund von Milet, entferne dich aus Sparta vor Sonnenuntergang, denn du machst den Spartanern keinen leichten Vorschlag, indem du sie eine Strecke Weges von drei Monaten von dem Meere weg führen willst. Also sprach Kleomenes und begab sich in seine Wohnung. 51. Aristagoras aber nahm einen Oelzweig und eilte damit in die Wohnung des Kleomenes: und wie er eingetreten war, bat er als ein um Schutz Flehender den Kleomenes, ihn anzuhören und das Kind wegzuschicken; es stand nemlich bei Kleomenes seine Tochter mit Namen Gorgo[*)] , und war dieselbe auch sein einziges Kind in einem Alter von acht oder neun Jahren. Kleomenes aber forderte ihn auf, nur zu sagen was er wolle, und sich nicht durch das Kind abhalten zu lassen. Da fing nun Aristagoras mit zehn Talenten an, die er ihm versprach, wenn er sein Verlangen erfülle; wie aber Kleomenes sich dessen weigerte, so stieg Aristagoras immer höher mit seinen Versprechungen, bis er zuletzt ihm fünfzig Talente anbot. Da sprach das Kind: Vater, der fremde Gast wird dich zu Grunde richten, wenn du nicht alsbald dich davon machst. Kleomenes, erfreut über den Rath des Kindes, begab sich in ein anderes Gemach und Aristagoras verließ gänzlich Sparta, ohne daß es ihm möglich geworden war, noch weitere Angaben über den Weg zum Könige hinauf zu machen. 52.-54 Mit diesem Wege[*)] verhält es sich nemlich also: aller Orten sind königliche Stationen[**)] und die herrlichsten Herbergen, und geht der ganze Weg durch bewohntes und sicheres Land; durch Lydien und Phrygien sind es nun der Länge nach zwanzig solcher Stationen, eine Strecke von vierundneunzig und einer halben Parasange; auf Phrygien folgt dann der Fluß Halys[***)] , an welchem die Thore stehen, durch welche man nothwendig hindurch muß, um über den Fluß zu kommen, und dabei befindet sich eine starke Wache. Ist man über den Fluß hinüber in Kappadocien eingetreten und reiset hier weiter bis zu den Gränzen Ciliciens, so sind es achtundzwanzig Stationen, und hundertundvier Parasangen. An dieser Gränze muß man durch doppelte Thore hindurch und an einer doppelten Wache vorbei ziehen. Ist man durch diese Thore hindurch und nimmt den Weg durch Cilicien, so sind es drei Stationen, fünfzehn und eine halbe Parasange. Die Gränze Ciliciens und Armeniens macht ein Fluß, über welchen man auf Schiffen setzt, mit Namen Euphrat[*)] . In Armenien sind fünfzehn Stationen zur Beherbergung, und sechsundfünfzig und eine halbe Parasange; auch befindet sich dabei eine Wache. Vier Flüsse, über welche man auf Schiffen setzen kann, fließen durch dieses Land, und muß man durchaus über dieselben fahren: der erste ist dei Tigris[**)] , hernach kommt der zweite und dritte, welche denselben Namen haben[***)] , ohne daß es ein und derselbe Fluß wäre, und kommen sie auch nicht aus derselben Gegend, denn derjenige von ihnen, welcher zuerst genannt ist, kommt aus Armenien, der nachher genannte aus dem Lande der Matiener. Der vierte dieser Flüsse hat den Namen Gyndes, welchen Cyrus einst in dreihundertsechzig Kanäle vertheilte[†)] . Tritt man aus diesem Armenien in das Land der Matiener, so sind es vier Stationen[††)] . . . . . . . geht man dann von diesem Land hinüber in das Kissische Land, so sind es eilf Stationen und zweiundvierzig und eine halbe Parasange bis zu dem Fluß Choaspes[†††)] , über den man ebenfalls mit Schiffen setzen kann: an ihm ist die Stadt Susa erbaut. Alle diese Stationen machen zusammen hundertundeilf[*)][,] und eben so viele Herbergen der Stationen sind es, wenn man von Sardes den Weg hinauf nach Susa macht.[**)] Wenn nun diese königliche Straße richtig nach Parasangen gemessen ist, und der Parasange dreißig Stadien macht, wie er denn wirklich so viel macht **), dann sind es von Sardes bis zu der königlichen Burg, welche die Memnonische heißt[***)] , dreizehntausendfünfhundert Stadien, was vierhundertfünfzig Parasangen gibt. Rechnet man nun auf jeden Tag eine Strecke Weges von hundertfünfzig Stadien[†)] , so hat man gerade neunzig Tage auf die Reise zu verwenden. Auf diese Weise war es ganz richtig, was Aristagoras von Milet zu dem Lacedämonier Kleomenes gesagt hatte, der Weg hinauf zum Könige sei eine Reise von drei Monaten[††)] ; wenn aber Jemand noch Genaueres darüber zu erfahren wünscht, so will ich auch dieses angeben: denn man muß noch den Weg von Ephesus *nach Sardes dazu rechnen. Und nun behaupte ich, daß es von dem hellenischen Meere bis Susa, denn so heißt die memnonische Stadt, in allem vierzehntausend vierzig Stadien sind; denn von Ephesus nach Sardes sind es fünfhundert vierzig Stadien. Und so wird der Weg von drei Monaten noch um drei Tage länger. 55.-56 Aristagoras begab sich, als er aus Sparta sich entfernt hatte, nach Athen, welches auf folgende Weise von seinen Herrschern frei geworden war.[1] Als Aristogiton und Harmodius, welche ihrem Geschlechte nach ursprünglich Gephyräer[2] waren, den Hipparchus[3] , des Pisistratus Sohn und des Alleinherrschers Hippias Bruder; erschlagen, nachdem er ein sein Schicksal ganz klar andeutende Traumgesicht[4] gehabt, so lebten nachher die Athener vier Jahre lang nicht weniger, sondern noch mehr als zuvor unter der Alleinherrschaft[1] Das Traumgesicht des Hipparchus war nämlich folgendes: in der Nacht vor den Panathenäen träumte Hipparchus von einem großen und schönen Mann, der zu ihm herzuträte und an ihn folgende rätselhafte Worte richte: Dulde geduldig, o Löwe, nachdem du schon Arges erduldet; Keiner der Sterblichen wird, wenn er frevelt, der Strafe entgehen.[2] Sowie es Tag geworden war, legte er dies ganz offen den Traumdeutern vor; hernach aber schlug er sich das Traumgesicht aus seinem Sinn und führte den Festzug[3] , auf welchem er wirklich seinen Tod fand. 57. Die Gephyräer; welchen die Mörder des Hipparchus angehörten, stammten, wie sie selbst angeben, ursprünglich aus Eretria[4] ; wie ich aber infolge näherer Erkundigung finde, waren sie Phönikier aus der Zahl derer, welche mit Kadmus in das Land gekommen waren, welches jetzt Böotien heißt: sie bewohnten in diesem Lande den tanagräischen Anteil, den sie durchs Los erhalten hatten. Als aber von da die Kadmäer früher durch die Argiver vertrieben worden waren[1] , so wendeten sich die Gephyräer, die nachher auch von den Böotiern vertrieben worden waren, nach Athen; die Athener nahmen sie unter gewissen Bedingungen auf, wonach sie Bürger bei ihnen sein und nur von einigen nicht nennenswerten Rechten[2] ausgeschlossen bleiben sollten. 58. Diese Phönikier[3] , welche mit Kadmus gekommen waren, zu denen die Gephyräer gehörten, haben, als sie dieses Land bewohnten, nicht nur vieles andere aus dem Gebiete der Wissenschaft in Hellas eingeführt, sondern auch namentlich die Schrift, welche, wie ich dafür halte, die Hellenen vorher nicht hatten. Zuerst hatten sie die Buchstaben, deren auch alle Phönikier sich bedienen; hernach im Laufe der Zeit veränderten sie mit der Sprache auch die Gestalt der Buchstaben. Es wohnten nämlich an den meisten Orten um sie herum zu dieser Zeit unter den Hellenen die Ionier; welche, nachdem sie von den Phönikiern die Buchstaben erhalten hatten, derselben sich bedienten, nachdem sie nur bei wenigen die Gestalt verändert hatten; und daher erklärten sie beim Gebrauch derselben, sowie es auch das Recht mit sich brachte, die Phonikier hätten dieselben in Hellas eingeführt, und davon seien sie auch phönikische genannt worden. Es nennen auch seit alter Zeit die Ionier die Bücher Felle, weil sie meistens aus Mangel an Byblus[1] Felle von Schafen und Ziegen dazu gebrauchten; ja noch zu meiner Zeit schrieben viele Barbaren auf solche Felle. 59.-61 Ich sah auch selbst kadmeische[2] Buchstaben in dem Tempel des Ismenischen Apollo[1] in dem böotischen[2] Theben, welche auf einige Dreifüße eingegraben und den ionischen meist ganz ähnlich waren. Von diesen Dreifüßen hat der eine folgende Aufschrift:
Ein anderer Dreifuß spricht im Sechsmaß:
Staus möchte aber wohl der Sohn des Hippokoon[2] sein, wenn anders dieser wirklich es geweiht hat, und nicht ein anderer, welcher denselben Namen wie der Sohn des Hippokoon hat; er würde dann in die Zeit des Ödipus, des Sohnes des Laius, fallen. Ein dritter Dreifuß sagt gleichfalls im Sechsmaß:
Unter diesem Könige Laodamas[3] nun, dem Sohne des Eteokles, die Kadmeer von den Argivern vertrieben, worauf sie sich zu den Cucheleern wendeten. Die Gephyräer aber; welche zurückgeblieben waren, zogen später, durch die Böotier gezwungen, nach Athen, und es wurden zu Athen Tempel von ihnen errichtet, an welchen die übrigen Athener keinen Anteil haben, nicht nur andere, die von den übrigen Tempeln verschieden sind, sondern insbesondere der Tempel und die Weihen der achäischen Demeter.[4] 62.-65 Es ist nun von mir das Traumgesicht des Hipparchus, sowie die Abkunft der Gephyräer, zu welchen die Mörder des Hipparchus gehörten, angegeben worden; ich muß aber jetzt die Erzählung wieder aufnehmen, die ich anfangs geben wollte, wie die Athener von ihren Alleinherrschern befreit wurden.[1] Während der Alleinherrschaft des Hippias, welcher auf die Athener sehr erbittert war[2] wegen der Ermordung des Hipparchus, hatten die Alkmäoniden, welche ihrer Abkunft nach Athener waren[3] , und durch die Peisistratiden vertrieben[4] , zugleich mit den übrigen Vertriebenen aus Athen einen Versuch gemacht, mit Gewalt zurückzukehren, ohne daß es ihnen gelungen war, sondern sie erlitten bei dem Versuche der Rückkehr und der Befreiung Athens eine schwere Niederlage: sie befestigten daher Leipsydrion, welches über Päonien liegt[5] , und boten hier alles auf gegen die Pisistratiden, übernahmen auch von den Amphiktyonen[1] den Ausbau des delphischen Tempels und zwar desjenigen, der jetzt steht, damals aber noch nicht da stand[2] ; und weil sie mit allen Mitteln reichlich versehen waren und von alters her angesehene Männer, so führten sie den Tempel noch schöner auf als der Plan war, nicht bloß in manchen anderen Dingen, sondern auch darin, daß sie, während der Vertrag den Bau des Tempels aus Poris[3] verlangte, die Vorderseite aus parischem Marmor aufführten. Wie nun die Athener behaupten, waren es diese Alkmäoniden, welche, während sie zu Delphi verweilten, durch Geld die Pythia bewogen[4] , so oft Spartaner ankämen, sei es in eigenen Angelegenheiten oder vom Staate gesendet, denselben die Befreiung Athens vorzuhalten. Als daher die Lakedämonier stets denselben Ausspruch bekamen[1] , so schickten sie den Anchimolius, den Sohn des Aster, welcher ein unter den Bürgern angesehener Mann war; mit einem Heere ab zur Vertreibung der Pisistratiden aus Athen, obwohl diese mit ihnen durch Gastfreundschaft besonders verbunden waren; denn sie achteten des Gottes Gebot für höher als Menschensatzung[2] ; dieses Heer aber sendeten sie auf Schiffen zur See ab. Anchimolius steuerte nun nach Phalerus[3] und setzte hier das Heer ans Land; die Pisistratiden aber, welche vorher davon Kunde erhalten hatten, riefen sich Hilfe aus Thessalien herbei; denn sie hatten mit den dortigen Herrschern ein Schutzbündnis abgeschlossen. Die Thessalier schickten auf ihre Bitte, nach gemeinsamem Entschluß, tausend Reiter 4[4] und ihren König Cineas, einen Koniäer.[5] So wie die Pisistratiden diesen Beistand erhalten hatten, ersannen sie folgendes: Sie machten das Land der Phale'reer leer von allem und dadurch der Reiterei zugänglich, und ließen dann dieselbe gegen das feindliche Heer los. Und so stürzte dieselbe ein und erschlug nicht nur viele andere Lakedämonier, sondern auch den Anchimolius; die übriggebliebenen von ihnen wurden aber in die Schiffe zurückgedrängt. Einen solchen Ausgang nun nahm der erste Kriegszug, der von Lakedä'mon aus unternommen wurde, und es befindet sich des Anchimolius Grab zu Alopekä in Attika, nahe bei dem Heiligtum des Herkules am Kynosarges.[1] Hernach aber rüsteten die Lakedämonier ein größeres Heer, das sie gegen Athen abschickten, nachdem sie den König Kleomenes, den Sohn des Anaxandridas, zum Feldherrn desselben eingesetzt hatten; und zwar schickten sie dasselbe nicht zur See ab, sondern zu Lande. Als sie nun in das attische Land eingedrungen waren, geriet zuerst die thessalische Reiterei mit ihnen in Kampf und wurde nach kurzer Zeit in die Flucht geschlagen; es fielen von derselben über vierzig Männer, die aber, welche am Leben geblieben waren, kehrten, so wie sie waren, geraden Weges nach Thessalien zurück; darauf drang Kleomenes zugleich mit denjenigen Athenern, welche frei sein wollten, in die Stadt und belagerte die innerhalb der pelasgischen Mauer[2] eingeschlossenen Herrscher.[3] Und doch würden die Lakedämonier nimmermehr die Vertreibung der Pisistratiden bewirkt haben, denn sie dachten gar nicht daran, eine ordentliche Belagerung anzustellen, und auf der andern Seite waren die Pisistratiden mit Speise und Trank wohl versehen; sie kehrten daher nach einer Belagerung von nur wenigen Tagen nach Sparta zurück. Da trat ein zufälliges Ereignis ein, welches für die einen schlimm, für die anderen aber ebenso günstig war; es wurden nämlich die Söhne der Pisistratiden[4] , wie sie außerhalb des Landes in Sicherheit gebracht werden sollten, gefangen. Wie dies geschehen war; geriet ihre ganze Lage in Verwirrung, und sie kamen um den Preis ihrer Kinder mit den Athenern auf die von diesen gestellten Bedingungen überein, innerhalb fünf Tagen Attika zu verlassen. Darauf zogen sie weg nach Sigeum[1] , das am Skamander liegt, nachdem sie über Athen sechsunddreißig Jahre geherrscht hatten[2] ; auch sie waren ursprünglich Pylier und Neliden[3] , von derselben Abkunft wie Kodrus und Melanthus[4] , welche früher aus der Fremde ins Land gekommen und dann Könige der Athener geworden waren. In der Erinnerung daran hatte auch Hippokrates[5] seinem Sohne denselben Namen Pisistratus gegeben, indem er nach Pisistratus, dem Sohne des Nestor, diesen Namen ihm gab. Auf diese Weise nun wurden die Athener von den Alleinherrschern befreit; was sie aber der Erzählung Wertes seit ihrer Befreiung gethan oder erduldet, ehe Jonien von Darius abfiel und Aristagoras von Milet nach Athen kam, um ihren Beistand zu erbitten, das will ich zuerst angeben. 66.69 Athen, welches zwar vorher schon groß war, wurde dann, nachdem es von seinen Herrschern befreit worden war, noch größer. Zwei Männer aber standen dann in besonderem Ansehen, Klisthenes, ein Alkmäonide, eben der, welcher die Pythia bestochen haben soll, und Isagoras, des Tisander Sohn, der zwar aus einem angesehenen Hause war, dessen Vorfahren ich jedoch nicht anzugeben weiß; seine Verwandten indes opferten dem karischen Zeus.[1] Diese Männer hatten ihre Partei und stritten sich um die Macht. Klisthenes aber wußte, da er unterlag, das Volk für sich zu gewinnen, und nachher teilte er die Athener, welche aus vier Stämmen bestanden, in zehn Stämme[2] , schaffte die Namen derselben nach den Söhnen des J'on: Geleon, Ägikoreus, Argades und Hoples ab und erfand dafür Namen von anderen einheimischen Heroen, mit Ausnahme des Ajas.[1] Diesen nämlich nahm er als einen Nachbar und Bundesgenossen dazu, obwohl er ein Fremder war. 67.-69 Es suchte aber dieser Klisthenes dann, wie ich glaube, den Vater seiner Mutter, den Klisthenes, nachzuahmen, welcher Herrscher von Sikyon war.[2] Dieser Klisthenes verbot infolge eines Krieges, den er mit den Argivern geführt hatte, zuvörderst den Rhapsoden zu Sikyon ihre Wettkämpfe zu halten, wegen der Homerischen Gedichte[3] , weil in diesen die Argiver und Argos in einem fort besungen sind; dann aber auch wünschte er den Adrastus, den Sohn des Talaus, weil dessen Heiligtum auf dem Marktplatze der Sikyonier sich befand und noch dort sich befindet, aus dem Lande zu vertreiben, weil er ein Argiver war.[4] Er ging daher nach Delphi und richtete an das Orakel die Frage, ob er den Adrastus vertreiben könne. Die Pythia erteilte ihm darauf einen Spruch, in welchem sie erklärte, Adrastus sei ein König der Sikyonier, aber er verdiene gesteinigt zu werden. 1 Da der Gott demnach dies nicht zugeben wollte, so kehrte er heim und dachte auf ein Mittel, durch welches Adrastus selbst zum Fortgehen gebracht würde. Und da er ein solches gefunden zu haben glaubte, schickte er nach dem böotischen Theben und sprach den Wunsch aus, den Melanippus, den Sohn des Astakus, zu sich zu holen. Die Thebaner gaben ihre Einwilligung, und so ließ Klisthenes den Melanippus zu sich bringen, wies ihm in dem Prytaneum selbst einen geheiligten Raum an und errichtete an der festesten Stelle desselben ihm eine Kapelle. Es hatte aber — denn auch das muß ich erzählen — Klisthenes den Melanippus darum nach Sikyon bringen lassen, weil er der ärgste Feind des Adrastus war, dessen Bruder, Mekisteus wie dessen Schwager Tydeus er getötet hatte. 2 Nachdem er nun ihm ein Heiligtum angewiesen, so nahm er dem Adrastus seine Opfer und Feste und gab sie dem Melanippus. Es waren aber die Sikyonier gewöhnt, den Adrastus in sehr großen Ehren zu halten, denn das Land gehörte dem Polybus, und Adrastus war der Sohn der Tochter des Polybus, welcher, da er ohne Söhne starb, dem Adrastus die Herrschaft übergab. Es erwiesen daher die Sikyonier dem Adrastus nicht bloß andere Ehren, sondern insbesondere verherrlichten sie auch seine Leiden durch tragische Chöre[3] , wobei sie nicht den Dionysus, sondern den Adrastus feierten. Klisthenes gab nun die Chöre dem Dionysus zurück. Den übrigen Opferdienst aber gab er an Melanippus. Also verfuhr er in bezug auf Adrastus. Den Stämmen der Dorier aber gab er andere Namen, damit sie nicht bei den Sikyoniern wie bei den Argivern dieselben wären, und hier trieb er seinen ärgsten Spott mit den Sikyoniern; er nahm nämlich von Schwein und Esel die Namen und setzte daran nur die Endungen, mit Ausnahme seines eigenen Stammes, welchem er den Namen von seiner Herrschaft gab. Diese hießen demnach Archelaer[1] , die anderen Hyaten[2] , die anderen Oneaten[3] und die übrigen Chöreaten.[4] Diese Namen der Stämme führten die Sikyonier sowohl unter der Herrschaft des Klisthenes, als bei seinem Tode noch sechzig Jahre lang; hernach jedoch überlegten sie sich mit einander die Sache und veränderten die Namen in Hylleer, Pamphylier und Dymanaten[5][,] als vierten fügten sie hinzu einen Stamm, welchen sie nach Agialeus, dem Sohne des Adrastus, mit dem Namen der Ägialeer bezeichneten. Dieses nun hatte der sikyonische Klisthenes gethan. Der athenische Klisthenes aber, welcher der Sohn der Tochter dieses sikyonischen war und auch, wie ich glaube, von diesem seinen Namen hatte[6] , setzte sich gleichfalls über die Ionier weg, und damit nicht die Athener dieselben Stämme hätten, wie die Ionier, ahmte er den gleichnamigen Klisthenes nach; als er nämlich das früher ihm entfremdete Volk der Athener hernach ganz auf seine Seite gebracht hatte, so veränderte er die Namen der Stämme und machte aus der geringeren Zahl derselben mehrere[7] ; auch bestellte er zehn Häupter der Stämme statt der vier bisherigen und verteilte die Gemeinden (Demen) in die Stämme. So war er, als er das Volk für sich gewonnen hatte, seinem (politischen) Gegner bei weitem überlegen. 70.72 Wie nun seinerseits Isagoras ihm unterlag, so ersann er darauf folgendes. Er rief den Kleomenes, den Lakedämonier, der von der Belagerung der Pisistratiden her sein Gastfreund geworden war, zu Hilfe; Kleomenes aber stand im Verdacht eines näheren Umganges mit der Frau des Isagoras. Kleomenes schickte nun zuerst nach Athen einen Herold und verwies den Klisthenes und mit ihm viele andere Athener, die er als die Mordbefleckten bezeichnete, aus der Stadt. Dies ließ er durch den Herold, den er schickte, sagen, sowie es ihn Isagoras gelehrt hatte. Denn die Alkmäoniden und ihre Anhänger trugen die Schuld dieses Mordes; Klisthenes selbst aber hatte ebensowenig, wie seine Freunde, Anteil daran. Mordbefleckt aber unter den Athenern wurden sie aus folgendem Grunde genannt.[1] Unter den Athenern war ein gewisser Kylon, ein Sieger zu Olympia, welcher im Übermut nach der Alleinherrschaft trachtete, und nachdem er sich einen Anhang von jungen Leuten verschafft hatte, sich der Burg zu bemächtigen versuchte, dann aber, wie er derselben sich nicht zu bemeistern vermochte, als Schützling an dem Bilde (der Göttin) sich niederließ. Die Vorsteher der Naukrarier[2] , welche damals die Verwaltung von Athen führten, bewogen ihn nun, samt seinen Leuten wieder aufzustehen, indem sie sich für ihr Leben verbürgten; die Alkmäoniden aber werden beschuldigt[3] , darauf dieselben ermordet zu haben. Dies geschah vor der Zeit des Pisistratus. Als nun Kleomenes* nach Athen schickte und den Klisthenes sowie die Mordbefleckten aus der Stadt wies, entwich Klisthenes selbst aus der Stadt; hernach aber kam Kleomenes nichtsdestoweniger nach Athen mit nicht zahlreicher Mannschaft; nach seiner Ankunft trieb er siebenhundert Familien[1] der Athener, welche Jsagoras ihm angegeben, aus der Stadt, und nachdem er dies gethan, versuchte er weiter die Auflösung des Rates und übergab die Regierung dreihundert Anhängern des Isagoras. Da aber der Rat sich widersetzte und nicht gehorchen wollte, besetzten Kleomenes und Isagoras mit ihrer Partei die Burg, die übrigen Athener jedoch hielten zusammen und belagerten sie zwei Tage lang, am dritten aber zogen sie infolge eines Vertrages aus dem Lande ab, so viele deren Lakedämonier waren. So erfüllte sich dem Kleomenes die Götterstimme: als er nämlich hinauf in die Burg ging, die er besetzen wollte, und das Heiligtum der Göttin betrat[2] , um dieselbe zu begrüßen, erhob sich die Priesterin[3] von ihrem Stuhl, noch ehe er an der Thür vorbei war, und rief ihm zu: "O Fremdling aus Lakedämon! Kehre wieder um und trete nicht in das ,Heiligtum ein, denn es ist den Doriern nicht erlaubt, hier einzutreten." Er aber sprach: "O Weib, ich bin ja kein Dorier, sondern ein Achäer."[4] Also beachtete er nicht diese Stimme, sondern machte den Versuch, und mußte er denn auch wieder heraus mit seinen Lakedämoniern. Die übrigen aber legten die Athener in Bande, um sie hinzurichten, unter diesen auch den Timesitheus aus Delphi, von welchem ich sehr große Thaten anführen könnte von Kraft[1] und Mut. Diese nun, welche in Bande gelegt waren, erlitten den Tod. 73. Die Athener aber ließen nachher den Klisthenes und die siebenhundert von Kleomenes vertriebenen Familien holen und schickten Boten nach Sardes, in der Absicht, mit den Persern ein Schutzbündnis abzuschließen, denn sie merkten wohl, daß sie sich mit den Lakedämoniern und Kleomenes verfeindet hatten. Als die Boten nach Sardes kamen und ihre Aufträge ausrichteten, fragte sie Artaphernes, des Hystaspes Sohn, Statthalter von Sardes, was sie für Leute wären und wo auf der Erde sie wohnten, da sie verlangten, Bundesgenossen der Perser zu werden, und als er dies von den Boten erfahren, gab er ihnen kurzweg den Bescheid: wenn die Athener dem König Darius Erde und Wasser[2] gäben, so verspreche er ihnen den Abschluß eines Bündnisses, wenn sie aber dies nicht gäben, so sollten sie nur nach Hause gehen. Die Boten nahmen die Sache auf sich und erklärten, weil sie ein Bündnis zu stande bringen wollten, sich bereit, beides zu geben. Wie sie jedoch nach Hause gekommen waren, fielen sie in eine schwere Verantwortung. 74. Da Kleomenes merkte, wie er in Wort und That von den Athenern verhöhnt wurde, so sammelte er aus dem ganzen Peloponnes ein Heer, ohne anzugeben, wozu er es sammle, weil er an dem Volke der Athener sich rächen wollte und den Isagoras als Tyrannen einzusetzen wünschte, denn dieser war mit ihm aus der Burg abgezogen. Kleomenes fiel nun mit einem großen Heere in Eleusis[3] ein, und die Böotier nahmen verabredetermaßen Önoë und Hysia[4] weg, die beiden äußersten Ortschaften Attikas; die Chalkidenser aber rückten von der andern Seite 1 heran und schädigten die Gegenden Attikas. Die Athener, obwohl sie im Zweifel waren (wohin sie zuerst sich wenden sollten), entschieden sich doch dahin, der Böotier und Chalkidenser erst später zu gedenken, und lagerten sich gegenüber den Peloponnesiern, welche zu Eleusis sich befanden. 75.-76 Als aber die Heere im Begriff waren, den Kampf zu beginnen, so bedachten es zuvörderst die Korinthier, daß sie ein Unrecht beginnen, kehrten um und begaben sich nach Hause; hernach that auch Demaratus dasselbe, der Sohn des Ariston, ebenfalls König von Sparta, welcher mit (Kleomenes) das Heer aus Sparta geführt hatte und in der vorausgegangenen Zeit in Zwiespalt mit Kleomenes gewesen war. Wegen dieses Zwiespaltes wurde dann zu Sparta das Gesetz gegeben, daß, bei einem Auszuge des Heeres, beide Könige demselben nicht folgen dürften; bis dahin nämlich waren beide gefolgt. Und ebenso sollte, wenn der eine dieser beiden Könige vom Kriegszuge frei sei, dann auch der eine der Tyndariden 2 zurückbleiben; denn vorher waren auch diese beide, wenn sie von ihnen angerufen worden, dem Heere gefolgt. Als nun damals zu Eleusis die übrigen Bundesgenossen sahen, daß die Könige der Lakedämonier nicht einig seien und die Korinthier die Reihen verlassen hatten, so eilten sie ebenfalls nach Hause. Dies ist also das vierte Mal[1] , daß die Dorier nach Attika kamen: zweimal waren sie infolge eines Krieges eingefallen und zweimal zum Besten des athenischen Volkes; erstmals, wo sie auch Megara gründeten, könnte der zur Zeit, wo Kodrus über die Athener König war, unternommene Zug wohl mit Recht genannt werden; zum zweiten und dritten Male, als sie zur Vertreibung der Pisistratiden von Sparta auszogen und nach Attika kamen, zum vierten Male aber damals, als Kleomenes die Peloponnesier nach Eleusis führte und hier einfiel. Demnach fielen damals die Dorier zum vierten Male in Athen ein. 77. Als dieser Zug nun ruhmlos ausgegangen war, rüsteten die Athener; in der Absicht Rache zu nehmen, zuerst einen Kriegszug wider die Chalkidenser die Böotier aber eilten den Chalkidensern zu Hilfe an den Euripus.[2] Wie die Athener die Hilfstruppen sahen, beschlossen sie eher die Böotier als die Chalkidenser anzugreifen; daher stürzten die Athener sich auf die Böotier und behielten völlig die Oberhand; sie töteten sehr viele derselben und nahmen siebenhundert lebendig gefangen. Noch an demselben Tage setzten dann die Athener nach Euböa über und warfen sich auf die Chalkidenser, welche sie gleichfalls besiegten; alsdann ließen sie auf dem Lande der Ritter[1] , wie man die Vornehmen der Chalkidenser nennt, viertausend Ansiedler[2] zurück. So viele sie aber von den Chalkidensern gefangen hatten, die hielten sie zugleich mit denjenigen, welche sie von den Böotiern lebend gefangen hatten, in Verwahr und legten ihnen Fesseln an; nach einiger Zeit aber gaben sie dieselben frei, um den Preis eines Lösegeldes von je zwei Minen[3] ; jedoch die Fesseln, welche denselben angelegt worden waren, hingen sie in der Burg auf wo sie noch bis auf meine Zeit vorhanden waren, indem sie an der Mauer hingen, welche von dem Meder abgebrannt worden war, gegenüber dem Tempel[4] , der nach Abend zu liegt. Von dem Lösegeld weiheten sie den zehnten Teil und ließen daraus ein Viergespann von Erz machen; es steht dasselbe linker Hand gleich bei dem Eingang in die Vorhallen[1] , die an der Burg sind, und daran befindet sich folgende Aufschrift: 78. So waren nun die Athener gewachsen.[2] Es zeigt dies aber nicht bloß von einer Seite, sondern überhaupt, daß die Gleichheit eine herrliche Sache ist[3] , insofern auch die Athener, so lange sie unter einer Alleinherrschaft standen, keinem der um sie herum wohnenden Völker im Kriege überlegen waren; so wie sie aber von ihren Alleinherrschern frei geworden waren, wurden sie bei weitem die ersten. Daraus ergibt sich nun, daß sie, während sie in Knechtschaft gehalten waren, lässig alles betrieben, weil sie wußten, daß sie für einen Gebieter arbeiteten; als sie aber frei geworden waren, war jeder eifrig bedacht, für seinen Vorteil zu arbeiten. In einem solchen Zustand befanden sich also die Athener. 79.-80 Die Thebaner aber schickten hernach zu dem Gotte, weil sie Rache an den Athenern nehmen wollten. Die Pythia erklärte ihnen jedoch, durch sich selbst würden sie nicht zur Rache gelangen, sondern sie sollten die Sache vor die Volksversammlung bringen und ihre Nächsten bitten. Als nun die Boten zurückkamen, so stellten sie eim Versammlung an und brachten den Orakelspruch vor. So vernahmen die Thebaner aus ihrem Munde, sie sollten ihre Nächsten bitten, und als sie dies gehört hatten, sprachen sie: "Wohnen uns nicht zunächst die Tanagräer, Koronäer und Thespier?[1] Und diese haben doch immer mit uns gekämpft und eifrig mit uns im Kriege ausgehalten? Wozu sollen wir diese dann bitten? Dies kann doch nicht der Sinn des Götterspruchs sein." Während sie in dieser Weise sich darüber besprachen, erhob einer, der es gehört hatte, seine Stimme: "Ich glaube zu erkennen, was der Götterspruch uns sagen will. Asopus soll zwei Töchter gehabt haben, Thebe und Ägina[2] ; da beides Schwestern sind, so glaube ich, der Gott gibt uns den Rat, wir sollen die Agineten bitten, unsere Rächer zu werden." Und da es nicht schien, als sollte ein besserer Rat wie dieser zum Vorschein kommen, so schickten sie sogleich zu den Ägineten und ließen diese bitten, ihnen gemäß dem Orakel Hilfe zu leisten, weil sie ihre Nächsten wären. Diese aber erklärten auf ihre Bitte, sie wollten ihnen die Äakiden[3] mitschicken. 81. Als darauf die Thebaner den Kampf mit dem Beistand der Äakiden versucht hatten und von den Athenern übel zugerichtet worden waren, so schickten die Thebaner nochmals und gaben ihnen die Äakiden zurück, baten aber dafür um Männer. Die Ägineten aber; aufgeblasen durch ihren großen Wohlstand[1] und eingedenk der alten Feindschaft mit Athen, erhoben sofort, als sie von den Thebanern um Hilfe angegangen waren, den Krieg wider die Athener, ohne vorhergegangene Ankündigung.[2] Als diese nämlich wider die Böotier im Felde lagen, schifften sie auf langen Schiffen[3] nach Attika, verheerten Phalerus[4] und viele andere Ortschaften an der Seeküste und fügten durch dieses Verfahren den Athenern großen Schaden zu. 82.-83 Es war aber die Feindschaft, welche die Agineten wider die Athener hegten, aus folgender Ursache entstanden. Den Epidauriern 5[5] wollte das Land gar keine Frucht mehr tragen. Um dieses Unglücks willen wendeten sich die Epidaurier an das Orakel zu Delphi und die Pythia erklärte ihnen, sie sollten Bilder der Damia und Auxesia[6] errichten; wenn sie diese errichtet hätten, werde es ihnen besser gehen. Es frugen nun die Epidaurier, ob sie die Bilder von Erz oder von Stein machen sollten; die Pythia aber erwiderte, von keinem dieser beiden, sondern von dem Holz des Ölbaumes. Daher gingen die Epidaurier die Athener mit der Bitte an, ihnen zu gestatten, einen Ölbanm[7] zu fällen, weil sie nämlich diese Bäume für die heiligsten hielten; auch wird behauptet, daß zu jener Zeit sich an keinem anderen Orte Ölbäume befanden, als zu Athen. Die Athener erklärten darauf, dies zu gestatten unter der Bedingung, daß sie jedes Jahr der Athene Polias und dem Erechtheus[1] ein Opfer darbrachten. Die Epidaurier willigten ein in diese Bedingung und erlangten die Gewährung ihrer Bitte, worauf sie aus diesen Ölbäumen die Bilder fertigen ließen und aufstellten; ihr Land trug ihnen wieder Frucht und sie entrichteten den Athenern, was im Vertrage bedungen war. Noch zu dieser Zeit und vor derselben standen die Ägineten unter den Epidauriern nicht nur in den übrigen Dingen, sondern auch darin, daß die Agineten nach Epidaurus hinüberführen und hier ihr Recht holten, als Kläger wie als Beklagte[2] ; von da an aber bauten sie Schiffe und fielen in ihrem Übermut von den Epidauriern ab[3] ; sie suchten, als ihre Feinde, ihnen Schaden anzuthun, eben weil sie Herren zur See waren. Und so nahmen sie ihnen denn auch heimlich jene Bilder der Damia und Auxesia weg[4] , brachten sie fort und stellten sie mitten in ihrem Lande zu Öa auf, wie der Ort heißt, welcher höchstens zwanzig Stadien von der Stadt entfernt ist.[5] Nachdem sie dieselben, an diesem Orte aufgestellt hatten, verehrten sie dieselben durch Sühnopfer und weibliche spottende Chöre[1] , wobei zehn Männer zu Chorführern[2] für eine jede dieser Gottheiten bestellt wurden; es ließen aber die Chöre ihren Spott an keinem Manne aus, sondern nur an den einheimischen Weibern. Auch die Epidaurier hatten einen solchen Gottesdienst und gibt es bei ihnen gleichfalls einen geheimen Gottesdienst. 84.-86 Die Epidaurier entrichteten, nachdem ihnen diese Bilder gestohlen waren, den Athenern nicht mehr, was bedungen worden war; die Athener schickten daher zu ihnen und beschwerten sich darüber. Die Epidaurier aber suchten ihnen zu beweisen, daß sie kein Unrecht begingen, denn so lange sie in ihrem Lande die Bilder gehabt, hätten sie das, was sie zugesagt, entrichtet; da sie aber derselben beraubt worden, so sei es doch nicht recht, dies noch zu entrichten; sie sollten vielmehr von den Agineten, welche im Besitz der Bilder seien, es eintreiben. Demzufolge schickten die Athener nach Ägina und verlangten die Bilder heraus; die Agineten aber erklärten, sie hätten gar nichts mit den Athenern zu schaffen. Es erzählen nun die Athener, nach diesem Verlangen seien auf einem Dreiruderer einige von ihren Bürgern abgeschickt worden, und als diese, welche von Staats wegen abgesendet waren, nach Ägina kamen, versuchten sie diese Bilder, weil sie ja aus ihrem Holze gefertigt waren, von ihren Gestellen wegzureißen, um sie wegzuführen; weil sie aber auf diese Weise sich derselben nicht bemeistern konnten, so warfen sie Seile um dieselben, um sie wegzuziehen; während sie nun zogen, wäre ein Donner und zugleich mit dem Donner eine Erderschütterung eingetreten und die Mannschaft des Dreiruderers, welche gezogen, wäre davon toll geworden; in diesem Zustande hätten sie, wie wenn sie Feinde wären, einander getötet, bis von allen ein einziger übrig geblieben, der nach Phalerus zurückgekommen sei. Also, erzählen die Athener, habe sich die Sache zugetragen; die Agineten dagegen behaupten, die Athener wären nicht mit einem einzigen Schiffe gekommen (denn ein einziges Schiff und auch einige Schiffe mehr würden sie leicht abgewehrt haben, auch wenn sie gar keine Schiffe gehabt hätten), sondern sie wären mit vielen Schiffen gegen ihr Land herangeschifft, worauf sie selbst vor denselben gewichen seien, ohne in eine entscheidende Schlacht zur See sich einzulassen. Indessen können sie nicht genau nachweisen, ob sie darum wichen, weil sie wohl sich bewußt waren, in der Seeschlacht den kürzeren zu ziehen, oder weil sie die Absicht hatten das zu thun, was sie auch gethan haben. Die Athener nun wären, da ihnen niemand zum Kampfe sich entgegenstellte, aus ihren Schiffen gestiegen und hätten sich zu den Bildern begeben; weil sie aber dieselben von ihren Gestellen nicht wegzubringen vermochten, so hätten sie dann Seile um dieselben geworfen und gezogen, bis daß die beiden Bilder über dem Ziehen ein und dasselbe gethan — eine Angabe, die ich nicht glauben kann, vielleicht aber irgend ein anderer[1] — sie wären nämlich auf die Knieen gefallen und seien von dieser Zeit an in diesem Zustande verblieben. Dies hätten nun die Athener gethan; sie selbst aber, erzählen die Ägeniten weiter, hätten auf die Nachricht, daß die Athener gegen sie zu Felde zu ziehen im Begriff wären, die Argiver in Bereitschaft für sich zu halten gesucht, und wie nun die Athener auf Ägina gelandet, so wären die Argiver ihnen zu Hilfe gekommen; sie wären nämlich unbemerkt von Epidaurus aus auf die Insel übergesetzt und über die Athener, welche vorher nichts davon gehört hatten, hergefallen, nachdem sie dieselben von ihren Schiffen abgeschnitten; während dem sei zugleich der Donner über sie gekommen und die Erderschütterung. 87.-88 So wird nun dieser Vorfall von Argivern und Agineten erzählt; auch die Athener stimmen damit insoweit überein, daß von den Ihrigen nur ein einziger sich gerettet und nach Attika zurückgekommen sei; nur behaupten die Argiver, es sei dieser einzige übrig geblieben von dem attischen Heere, welches sie vernichtet hätten, während die Athener diese Vernichtung der Gottheit zuschrieben, und auch dieser eine sei nicht einmal übrig geblieben, sondern auf folgende Weise ums Leben gekommen: als er nämlich nach Athen gekommen war, erzählte er die Niederlage; wie dies die Weiber der wider Ägina ins Feld gezogenen Männer vernommen, so wären sie über diesen, welcher von allen allein errettet worden, ergrimmt, hätten den Menschen ringsum gepackt und mit den Agraffen ihrer Kleider gestochen, wobei eine jede derselben an ihn die Frage gerichtet, wo denn ihr Mann sei; auf diese Weise sei der Mensch ums Leben gekommen. Den Athenern aber wäre diese That der Weiber noch ärger vorgekommen als die Niederlage, und weil sie nichts anderes gewußt, womit sie die Weiber strafen sollten, so hätten sie ihre Kleidung in die ionische umgeändert. Denn vorher trugen die Weiber der Athener dorische Kleidung, welche der korinthischen[1] ganz ähnlich ist; nun veränderten sie dieselbe in den linnenen Rock, damit sie nämlich keine Agraffen mehr gebrauchten.[2] Es ist aber, um die Wahrheit zu sagen, diese ältere Kleidung nicht die ionische, sondern die karische; denn die ältere hellenische Kleidung der Weiber war durchweg dieselbe, die dorische, wie wir sie jetzt nennen. Die Argiver aber und die Agineten sollen darauf noch bei sich das Gesetz eingeführt haben, die Agraffen um die Hälfte länger zu machen als das damals bestehende Maß, und sollten die Weiber in das Heiligtum jener Göttinnen zumeist Agraffen weihen: nichts Attisches sollte man zum Tempel bringen, nicht einmal ein irdenes Geschirr, sondern es sollte fernerhin zum Gesetz hier sein, aus inländischen Töpfchen zu trinken.[1] Seitdem nun tragen die Weiber der Argiver und Ägineten aus Haß wider die Athener noch bis zu meiner Zeit größere Agraffen als zuvor. 89. Der Anfang der Feindschaft zwischen den Agineten und Argivern war auf die angegebene Weise gekommen. Damals nun, als die Thebaner die Hilfe der Agineten anriefen, erinnerten sich diese wohl des Vorfalls mit den Bildern und standen bereitwillig den Vöotiern bei. Die Agineten nun verheerten die Küstenstrecken Attikas; und als die Athener zum Kriegszug wider die Agineten aufbrechen wollten, kam ein Götterspruch aus Delphi, sie sollten sich dreißig Jahre lang zurückhalten von der Zeit an, wo die Agineten ihnen Unrecht gethan; im einunddreißigsten Jahre sollten sie, nachdem sie dem Äakus[2] ein Heiligtum bezeichnet, den Krieg wider die Agineten beginnen, dann werde es ihnen nach Wunsch gehen. Würden sie sogleich den Feldzug gegen jene beginnen, so würden sie innerhalb dieses Zeitraums viel Schlimmes zu erdulden haben, vieles aber auch den anderen zufügen, zuletzt jedoch die Insel unterwerfen. Als die Athener diese Nachricht vernahmen, so bestellten sie dem Äakus das Heiligtum, das noch jetzt auf dem Marktplatz errichtet steht; aber die dreißig Jahre hielten sie nicht aus, obwohl sie gehört hatten, daß es vom Schicksal bestimmt sei, so lange zu warten und manches von den Agineten zu erdulden. 90. Während sie aber sich zur Rache rüsteten, trat ihnen ein von den Lakedämoniern angeregtes Hindernis in den Weg. Als die Lakedämonier nämlich erfahren hatten, was von seiten der Alkmäoniden mit der Pythia gemacht worden[1] und ebenso was von seiten der Pythia wider sie und die Pisistratiden geschehen war, so war es ihnen doppelt leid, daß sie Männer, die ihre Gastfreunde waren, aus deren Lande vertrieben und für diese Handlung gar keinen Dank von seiten der Athener erhalten hätten. Außerdem trieben sie noch die Orakelsprüche an, welche erklärten, sie würden viel Arges von den Athenern auszustehen haben, was sie vorher nicht wußten, damals aber erfuhren, als Kleomenes diese Orakel nach Sparta gebracht hatte. Kleomenes hatte dieselben aus der Burg der Athener mitgenommen, wo die Pisistratiden, welche vorher im Besitz derselben waren, bei ihrer Vertreibung sie in dem Tempel[2] zurückgelassen und Kleomenes die zurückgelassenen weggenommen hatte. 91. Damals nun, nachdem die Lakedämonier die Orakelsprüche weggenommen hatten und sahen, wie die Athener zunahmen und keineswegs bereit waren, ihnen zu gehorchen, so bedachten sie, wie das attische Volk, wenn es frei wäre, ihrer Macht dann gleich kommen, wenn es aber in Knechtschaft gehalten würde, schwach und zum Gehorsam bereit sein würde; als sie das alles erkannt hatten, ließen sie den Hippias, den Sohn des Piststratus von Sigeum, welches am Hellespont liegt, wohin die Pisistratiden sich geflüchtet hatten[3] , holen. Als Hippias auf ihren Ruf gekommen war, ließen sie auch die Gesandten der übrigen Bundesgenossen[4] zu sich entbieten und sprachen zu ihnen die Spartaner Folgendes: "Ihr Bundesgenossen, wir müssen es selbst bekennen, nicht recht gethan zu haben. Im Vertrauen nämlich auf trügerische Orakelsprüche haben wir Männer, die unsere besonderen Gastfreunde waren und es auf sich genommen hatten, Athen in Unterwürfigkeit zu halten, aus ihrem Vaterlande vertrieben, und hernach, als wir dies gethan hatten, haben wir die Stadt einem undankbaren Volke übergeben, welches, nachdem es durch unsern Beistand die Freiheit erlangt hat, sich erhoben, uns und unsern König nach schmachvoller Behandlung hinausgejagt hat, und nun an Ruf und an Wachstum zunimmt, so daß zunächst schon dessen Nachbarn, die Böotier und, Chalkidenser, es erkannt haben und wohl noch mancher andere seinen Irrtum erkennen wird. Da wir nun gefehlt haben, indem wir jenes gethan, so wollen wir jetzt versuchen, zugleich mit euch es wieder gut zu machen und Rache an jenen zu nehmen; denn eben deswegen haben wir diesen Hippias, sowie euch von den Städten rufen lassen, um nach gemeinsamer Beratung und mit gemeinsamem Heere ihn nach Athen zu führen und ihm das zurückzugeben, was wir ihm genommen haben." 92. Also sprachen sie. Die Mehrzahl der Verbündeten wollte jedoch diesen Vorschlag nicht annehmen; während nun die übrigen sich ruhig verhielten, sprach Sosikles von Korinth[1] folgendes: "Fürwahr, eher wird der Himmel unter der Erde sein und die Erde über dem Himmel in der Luft schweben, ehe die Menschen ihren Aufenthalt im Meere nehmem und die Fische da, wo früher die Menschen lebten, als daß ihr, o Lakedämonier, es unternehmet, die Gleichheit zu stürzen und Alleinherrschaft in die Städte zurückzuführen, was doch das ungerechteste und blutbefleckteste Ding auf der Welt ist.[2] Denn wenn es euch wirklich gut dünkt, daß die Städte unter Alleinherrschern stehen, so stellt zuerst bei euch selbst einen solchen Alleinherrscher auf und dann versucht es auch bei den übrigen, einen solchen aufzustellen. So aber habt ihr selbst gar keine Erfahrung hinsichtlich einer Alleinherrschaft und wacht aufs ärgste, daß so etwas in Sparta nicht aufkomme, dagegen bei den Bundesgenossen wollt ihr so etwas Schlimmes in Anwendung bringen. Hättet ihr selbst eine Erfahrung, wie wir sie besitzen, so hättet ihr wohl eine bessere Ansicht darüber als jetzt. (§ 2). Es bestand nämlich in der Stadt der Korinther folgende Einrichtung. Die Herrschaft war in den Händen von wenigen, und diese, welche die Bakchiaden hießen[1] , regierten die Stadt, verheirateten sich auch nur unter einander. Amphion aber, einer von diesen Männern, hatte eine lahme Tochter, deren Name Labda war, und da keiner der Bakchiaden sie heiraten wollte, nahm sie Eetion des Echekrates Sohn, zur Frau, welcher aus der Ortschaft Petra[2] war, aber nach seinen Voreltern ein Lapithe und Känide.[3] Von dieser Frau so wenig wie von einer andern hatte er Kinder; er reiste daher nach Delphi um der Nachkommenschaft willen, und als er in den Tempel hereintrat, redete ihn die Pythia mit folgenden Worten an:
Dieser dem Eetion erteilte Götterspruch wurde den Bakchiaden hinterbracht, welchen das schon früher nach Korinth erteilte Orakel unverständlich geblieben war, obwohl es auf dasselbe hinauslief wie das des Eetion und also lautete:
Es war dieser Spruch an die Bakchiaden früher ergangen, aber ihnen dunkel geblieben: damals jedoch, als sie von dem an Eetion ergangenen Spruch Kunde erhielten, verstanden sie alsbald auch den früheren Spruch, welcher mit dem des Eetion übereinstimmend war. Da sie auch diesen verstanden, verhielten sie sich ruhig, weil sie die Absicht hatten, die Nachkommenschaft, welche Eetion bekommen sollte, ums Leben zu bringen. Daher schickten sie, so wie sein Weib geboren hatte, in die Ortschaft, in welcher Eetion wohnte, zehn der Ihrigen, welche das Knablein töten sollten. Als diese nach Petra gekommen und in den Hof des Eetion eingetreten waren, verlangten sie nach dem Knäblein. Labda, welche nichts von dem wußte, weshalb sie gekommen waren und vielmehr glaubte, sie verlangten aus Liebe zu dem Vater nach dem Knäblein, brachte dasselbe und gab es einem derselben in die Hände; es hatten diese aber unterwegs beschlossen, es solle derjenige von ihnen, welcher zuerst das Knäblein in Empfang genommen, es auf den Boden werfen. Wie nun Labda das Kind brachte und darreichte, so lächelte, wie durch göttliche Fügung, das Knäblein den Mann an, der es genommen hatte. Wie dies der Mann bemerkt hatte, ergriff ihn Mitleiden, das ihn abhielt, das Knäblein zu töten; aus Mitleiden übergibt er es dem zweiten und dieser dem dritten, und so kam es alle zehn hindurch, von einem dem andern übergeben, da keiner es umbringen wollte. Sie gaben daher der Mutter das Knäblein zurück, traten heraus, und wie sie an der Thür standen, fingen sie an, sich einander Vorwürfe zu machen, und gab einer dem andern schuld, insbesondere dem, der zuerst das Knäblein erhalten hatte, weil er nicht, wie ausgemacht worden, gethan habe; bis sie nach Verlauf einiger Zeit wieder sich entschlossen, einzutreten und allesamt an dem Morde sich zu beteiligen. § 4. Nun sollte aber aus der Nachkommenschaft Eetions der Stadt Korinth Übel erwachsen.[1] Labda nämlich, welche hart an der Thür stand, hörte dies alles, und weil sie befürchtete, es möchten jene sich eines andern besinnen und das Knäblein, wenn sie es zum zweiten Male empfangen hätten, ums Leben bringen, so nahm sie dasselbe und verbarg es an einen solchen Ort, auf welchen, wie sie glaubte, man am wenigsten verfallen könne, nämlich in eine Kiste, weil sie wohl wußte, daß jene, wenn sie umkehrten und das Kindlein zu suchen kämen, alles durchforschen würden. Und so geschah es denn auch. Als jene kamen und das Knäblein, das sie suchten, nirgends sich zeigte, beschlossen sie, sich zu entfernen, und zu denen, welche sie abgesendet, zu sagen, sie hätten alles gethan, was jene ihnen aufgetragen. Sie kehrten demnach zurück und sprachen also. § 5. Es wuchs aber hernach des Eetion Sohn heran und wurde ihm, als er dieser Gefahr entronnen war, von der Kiste der Name Kypselus gegeben.[1] Dieser Kypselus wendete sich, als er Mann geworden, an das Orakel zu Delphi, von dem er einen zweideutigen Orakelspruch erhielt; er vertraute jedoch demselben, schritt zur That und setzte sich in den Besitz von Korinth. Der Orakelspruch lautete folgendermaßen:
Also lautete das Orakel. Als aber Kypselus in den Besitz der Alleinherrschaft gelangt war, zeigte er sich als ein solcher Mann, daß er viele Korinther vertrieb, vielen das Vermögen, bei weitem den meisten aber das Leben nahm. § 6. Als dieser dreißig Jahre lang geherrscht und seinen Lebenslauf glücklich zu Ende geführt hatte, folgte ihm in der Herrschaft sein Sohn Periander.[2] Dieser Periander war nun am Anfang zwar milder als sein Vater, als er aber durch Boten mit Trasybu'lus, dem Herrscher von Milet[3] , verkehrt hatte, wurde er noch weit blutgieriger als Kypselus. Er hatte nämlich zu Trasybulus einen Herold geschickt und durch diesen fragen lassen, wie er wohl am sichersten seine Herrschaft einrichten und am besten die Stadt verwalten könne. Trasybulus führte darauf den von Periander angelangten Boten außerhalb der Stadt, betrat dann ein besätes Feld, und während er das Saatfeld durchging, befrug er den Herold in einem fort über sein Kommen aus Korinth, und dabei rupfte stets, sowie er eine Ähre vor den andern hervorragen sah, dieselbe aus, und wenn er sie abgerissen, warf er sie weg, bis er den schönsten und dicksten Teil des Saatfeldes auf diese Weise zu Grunde gerichtet hatte; nachdem er auf diese Weise durch das Feld gegangen war, entließ er den Herold, ohne ihm auch nur ein Wort eines guten Rates mitgeteilt zu haben. Als darauf der Herold nach Korinth zurückgekehrt war, verlangte es den Periander sehr, den Rat (des Thrasybulus zu vernehmen. Da erklärte ihm der Herold, daß Thrasybulus auch nicht ein Wort ihm aufgetragen, und wundere er sich über Periander, daß er ihn zu einem solchen Manne geschickt, der ja ein ganz verkehrter Mensch sei und zu seinem eigenen Schaden handle; dabei erzählte er ihm, was er von Trasybulus bemerkt hatte. § 7. Periander aber verstand, was von Thrasybulus geschehen war, und merkte es sich wohl, daß derselbe ihm den Rat gegeben, die hervorragenden Bürger ums Leben zu bringen; da nun fing er an, seine ganze Schlechtigkeit gegen seine Mitbürger an den Tag zu legen. Denn was noch von dem Morden und der Vertreibung des Kypselus übrig geblieben war, dem machte Periander vollends ein Ende. Auch ließ er an einem Tage allen korinthischen Weibern die Kleider ausziehen, um seines Weibes Melissa[1] willen. Er hatte nämlich in das Land der Thesproter[2] an den Fluß Acheron Boten[3] gesendet zu dem Totenorakel[4] , hinsichtlich eines Unterpfandes von einem Gastfreunde. Da erschien Melissa und erklärte, sie werde nicht angeben noch verraten, an welchem Orte das Pfand liege, denn sie friere und sei entblößt. Die Kleider, mit welchen sie bestattet worden, hülfen ihr nichts, weil sie nicht mit verbrannt worden seien; ein Zeichen aber, daß sie die Wahrheit sage, solle ihm das sein, daß Periander die Brote in den kalten Ofen geworfen. Als dieses dem Periander hinterbracht worden, denn es war ihm dies ein glaubwürdiges Wahrzeichen, da er mit dem Leichnam der Melissa Umgang gepflogen hatte, so ließ er sogleich nach dieser Nachricht durch den Herold den Befehl ergehen, es sollten alle korinthischen Weiber heraus in den Tempel der Here sich begeben. Diese nun begaben sich dahin wie zu einem Feste, angethan mit ihrem herrlichsten Schmucke; er stellte aber heimlich seine Lanzenträger auf und ließ sie alle auf gleiche Weise, die Freien wie die Dienerinnen, die Kleider ausziehen, dann brachte er alles zusammen in eine Grube und ließ es hier, unter Anrufung der Melissa, verbrennen.[1] Als er dies gethan hatte und zum zweiten Male (zu dem Totenorakel) schickte, gab der Schatten der Melissa den Ort an, wohin sie das Unterpfand des Gastfreundes gelegt hatte. So steht es, o Lakedämonier, mit der Alleinherrschaft, und solche Werke vollbringt sie; uns Korinthier ergriff daher schon damals große Verwunderung, als wir vernahmen, daß ihr den Hippias holen lasset; jetzt wundern wir uns in der That noch mehr darüber, daß ihr also sprecht, und beschwören wir euch bei den hellenischen Göttern, die wir als Zeugen anrufen, Alleinherrschaften nicht einzuführen in die Städte; wenn ihr nun davon nicht ablasset, sondern es versuchet, wider das Recht den Hippias zurückzuführen, so seid überzeugt, daß wir Korinther wenigstens euch nicht beistimmen." 93. Also sprach Sosikles, welcher Gesandter war von Korinth; Hippias aber erwiderte ihm, unter Anrufung derselben Götter wie jener, fürwahr, es würden die Korinther noch am meisten von allen nach den Pisistratiden verlangen, wenn für sie die Tage gekommen wären, die ihnen beschieden seien, wo sie von den Athenern zu leiden hätten. In dieser Weise erwiderte Hippias, weil er aufs richtigste unter allen Menschen die Orakelsprüche verstand. Die übrigen Bundesgenossen verhielten sich eine Zeitlang in aller Ruhe; wie sie aber die freie Sprache des Sosikles vernahmen, da brach die Stimme eines jeden von ihnen und schloß sich der Ansicht des Korinthiers an, und sie beschworen die Lakedämonier, doch keine Änderung vorzunehmen in einer hellenischen Stadt. Ein solches Ende nahm diese Sache. 94.-95 Als Hippias nun von hier wegzog, bot ihm Amy'ntas, der Makedonier, Anthemus[1] an, die Thessalier aber boten ihm Jolkus[2] an; er nahm jedoch keines von beiden und zog sich zurück nach Sigeum[3,] welches Pisistratus mit Gewalt den Mytilenäern entrissen hatte; und als er desselben sich bemächtigt, hatte er seinen Bastardsohn als Herrscher eingesetzt, den Hegesistratus, welcher von einem argivischen Weibe geboren war und nicht ohne Kampf behauptete, was er von Pisistratus erhalten hatte; denn es führten längere Zeit hindurch von der Stadt Achilleum[4] von Sigeum ausziehend, miteinander Krieg die Mytilenäer und die Athener, indem jene das Land zurückverlangten, die Athener aber dies nicht zugeben wollten, sondern darzuthun suchten, daß die Äolier nicht mehr Anteil an dem ilischen Lande hätten, als sie und alle die anderen Hellenen, so viele deren Beistand geleistet dem Menelaus bei dem Raube der Helena. Während dieses Krieges kam mancherlei in den einzelnen Kämpfen vor, unter anderem auch folgendes: bei einem Zusammenstoß, in welchem die Athener Sieger waren, entkam der Dichter Alkäus[1] selbst auf der Flucht; aber seine Waffen bekamen die Athener und hingen sie hernach auf[2] in dem Tempel der Athene zu Sigeum. Alkäus aber besang dies in einem Gedicht, das er nach Mytilene schickte, indem er seinem Freunde Melanippus das ihm widerfahrene Leid meldete. Es wußte aber Periander, des Kypselus Sohn, die Mytilenäer .und Athener zu versöhnen, da sie an ihn als Schiedsrichter sich gewendet hatten; er versöhnte sie aber in der Weise, daß beide in dem Besitze des Landes blieben, :welches ein jeder Teil besaß. Also nun war Sigeum unter die Athener gekommen. 96. Als aber Hippias von Lakedämon wieder nach Asien gekommen war, setzte er alles in Bewegung, indem er die Athener bei dem Artaphernes verleumdete, und alles aufbot, damit Athen ihm und dem Darius unterthan würde. Während Hippias dies betrieb, schickten die Athener, welche davon Nachricht erhalten hatten, Boten nach Sardes, welche die Perser bestimmen sollten, den Flüchtlingen der Athener kein Gehör zu schenken. Artaphernes aber forderte sie auf, wenn sie sich retten wollten, den Hippias wieder bei sich aufzunehmen, und infolge der Nichteinnahme beschlossen sie, offen als Feinde der Perser aufzutreten. 97. Wie sie sich nun dazu bestimmten und dadurch mit den Persern sich verfeindeten, gerade in diese Zeitpunkt kam der Milesier Aristagoras, der von dem Lakedämonier Kleomenes aus Sparta ausgewiesen worden war, nach Athen; denn diese Stadt hatte unter den übrigen die größte Macht. Als nun Aristagoras vor das Volk trat; ließ er sich in ähnlicher Weise wie zu Sparta aus über alle die Güter Asiens und über den Krieg mit den Persern, die weder Schild noch Lanze führten[3] und leicht zu bewältigen seien. In dieser Weise sprach er und fügte dann noch hinzu, daß die Milesier Kolonisten der Athener seien, und daß es billig wäre, daß sie bei ihrer großen Macht diese zu retten suchten; und dabei versprach er alles Mögliche und bestürmte sie mit seinen Bitten, bis er sie überredete. Denn es schien leichter; viele zu täuschen, als einen einzigen, insofern er nicht im stande war den einen Lakedämonier Kleomenes zu täuschen, wohl aber bei dreißigtausend Athenern[1] es vermochte. Die Athener ließen sich also überreden und faßten den Beschluß, zwanzig Schiffe zum Beistand der Ionier abzusenden, über welche sie den Melanthius zum Befehlshaber setzten, einen unter seinen Mitbürgern in allem geachteten Mann. Diese Schiffe aber waren der Anfang aller Übel[2] für die Hellenen wie für die Barbaren. 98. Aristagoras schiffte indes vor ihnen ab, und als er nach Milet gekommen war, erfand er einen Plan, welcher den Ioniern von gar keinem Nutzen sein sollte[3] , er that es auch gar nicht darum, sondern in der Absicht den König Darius zu ärgern. Er schickte einen Mann nach Phrygien zu den Päoniern[4,] welche als Gefangene von dem Flusse Strymon durch Megabyzus nach Phrygien gebracht worden waren, wo sie ein Stück Land und ein Dorf abgesondert für sich bewohnten; als dieser zu den Päoniern gekommen war, sprach er also: "Ihr Päonier! Aristagoras, der Herrscher von Miketus, hat mich hierher gesendet, um euch einen Weg der Rettung anzugeben, wenn ihr anders sagen wollt. Denn es ist ganz Jonien von dem Könige abgefallen, und es steht jetzt in eurer Hand, euch in euer Vaterland zu retten. Bis zum Meere werdet ihr selbst dafür zu sorgen haben; von da an aber wird es schon meine Sorge sein. Als die Päonier dies gehört hatten, nahmen sie es mit Freuden an, packten Weiber und Kinder auf und entwichen nach dem Meere, einige von ihnen aber blieben auch zurück aus Furcht; jene, so wie sie am Meere angekommen waren, setzten von da aus über nach Chius. Als sie bereits in Chius sich befanden, kam die Reiterei der Perser auf dem Fuße nach zur Verfolgung der Päonier; wie sie aber dieselben nicht trafen, ließen sie den Päoniern nach Chius sagen, daß sie zurückkehren möchten. Die Päonier aber nahmen die Vorschläge nicht an, sondern die Chier führten sie nach Lesbos, und die Lesbier brachten sie dann nach Doriskos[1] ; von da setzten sie den Weg zu Lande fort und gelangten nach Päonien, 99.-100 Als die Athener mit zwanzig Schiffen gekommen waren und noch fünf Dreiruderer der Eretrier mit sich brachten, welche nicht um der Athener willen ins Feld gezogen waren, sondern der Milesier selbst willen, welchen sie eine Schuld abzutragen gedachten, — es hatten nämlich die Milesier früher den Eretriern in dem Kriege mit den Chalkidensern anhaltenden Beistand geleistet, damals nämlich, als den Chaltidensern auch die Samier zu Hilfe kämen wider die Eretrier und Milesier[2] — wie also die Schiffe angekommen und auch die übrigen Verbündeten eingetroffen waren, begann Aristagoras einen Kriegszug gegen Sardes, an dessen Spitze er zwar selbst nicht trat, da er zu Milet blieb, sondern er setzte andere zu Feldherren über die Milesier, seinen Bruder Charopinus und den Hermophantus, einen der übrigen Bürger, Als die Ionier mit dieser Flotte nach Ephesus gekommen waren, ließen sie die Schiffe zu Koressus[1] im Gebiete von Ephesus zurück; sie selbst zogen zahlreich landeinwärts, wobei sie ephesische Wegweiser mitnahmen. Sie zogen zuerst längs des Flusses Kaysinus[2] , und als sie darauf den Tmolus[3] überstiegen hatten, gelangten sie nach Sardes, das sie einnahmen, ohne daß jemand ihnen Widerstand leistete; sie nahmen auch mit Ausnahme der Burg[4] alles andere ein. Die Burg nämlich bewahrte Artaphernes selbst mit einer nicht geringen Macht. 101. An der Plünderung der Stadt, welche sie eingenommen hatten, hinderte sie aber folgender Umstand. Die meisten Häuser in Sardes waren von Rohr und selbst die, welche von Backsteinen waren, hatten Dächer von Rohr, Als nun ein Soldat eines derselben angezündet hatte, so lief alsbald das Feuer von einem Hause zum andern und verbreitete sich über die ganze Stadt. Als aber die Stadt brannte, liefen die Lydier und alle Perser, welche in der Stadt sich befanden, da sie abgeschlossen waren von allen Seiten, indem das Feuer die äußersten Teile der Stadt ringsherum ergriffen hatte und keinen Ausgang aus der Stadt gewährte, zusammen auf den Markt und an den Fluß Paktolus[5] , welcher Goldsand aus dem Tmolus mit sich führt und mitten durch den Markt fließt, hernach aber in den Fluß Hermus[6] sich ergießt, welcher in das Meer fließt. An diesem Paktolus nun und auf dem Markt sammelten sich die Lydier und Perser, zur Gegenwehr gedrängt. Wie die Ionier aber sahen, daß der eine Teil der Feinde sich zur Wehr setze, der andere mit gewaltiger Masse heranrücke, so zogen sie aus Furcht weg nach dem Gebirge, welches der Tmolus heißt, und kehrten von da mit einbrechender Nacht zu ihren Schiffen zurück. 102. Sardes war nun abgebrannt, und in demselben auch das Heiligtum der Landes-Göttin Kybebe[1] , was die Perser hernach zum Vorwand nahmen, als sie ebenso die Tempel in Hellas niederbrannten. Damals aber, als die Perser, welche innerhalb des Flusses Halys ihre Standquartiere haben, davon Kunde erhielten, sammelten sie sich sofort und eilten den Lydiern zu Hilfe. Sie fanden jedoch die Ionier nicht mehr zu Sardes, folgten ihnen indes auf der Spur nach und trafen sie bei Ephesus, wo die Ionier sich ihnen gegenüber aufstellten, aber in diesem Kampfe gänzlich unterlagen, und töteten die Perser viele derselben, unter andern namhaften Männern auch den Eualkides, den Feldherrn der Eretrier, welcher in den Wettkämpfen[2] Siegeskränze sich errungen und von Simonides aus Keos sehr gepriesen worden war. Diejenigen aber von ihnen, welche der Schlacht entronnen waren, zerstreuten sich in ihre Städte. 103. Damals nun kämpften sie also; hernach aber verließen die Athener gänzlich die Ionier, und obgleich Aristagoras sie vielfach durch Boten aufforderte, verweigerten sie ihren Beistand. Die Ionier, auf diese Weise des Beistandes der Athener beraubt, rüsteten sich, weil sie nun einmal so weit gegen Darius vorgegangen waren, nichtsdestoweniger zum Kriege wider den König. Sie segelten nach dem Hellespont und unterwarfen sich Byzantium[3] und alle die dortigen Schiffe; dann schifften sie aus dem Hellespont wieder heraus und gewannen sich den größeren Teil von Karien zum Beistand; denn sogar Kaunus[1] , welches vorher sich nicht mit ihnen verbinden wollte, schloß sich damals nach der Verbrennung von Sardes an sie an. 104. Die Cyprier aber traten alle freiwillig zu ihnen, mit Ausnahme der Amathusier[2] , denn auch diese waren von den Medern abgefallen auf folgende Weise. Onefilus, der jüngere Bruder des Gorgus, des Königs der Salaminier, der Sohn des Chersis, des Sohnes des Siromus, des Sohnes Cuelthon[3] , dieser hatte schon früher den Gorgus angegangen, von dem (Persern) König abzufallen, damals aber, als er vernahm, daß auch die Ionier abgefallen, drang er noch mehr in ihn und lag ihm an; als er aber den Gorgus nicht bereden konnte, da gab Onesilus Acht, wie er aus der Stadt der Salaminier ausgegangen war, und schloß ihn, mit Hilfe seines eigenen Anhanges, vor den Thoren aus. Gorgus, auf diese Weise der Stadt beraubt, floh zu den Medern, Onefilus aber herrschte über Salamis und suchte alle Cyprier zum Abfall mit ihm zu bereden; bei den übrigen nun gelang ihm dies; die Amathusier aber, die ihm nicht folgen wollten, belagerte er, indem er sich vor ihre Stadt legte. 105. Onesilus belagerte nun Amathus. Als aber dem König Darius gemeldet worden war, Sardes sei von den Athenern und Ioniern genommen und in Brand gesteckt worden, der Führer dieses Bundes aber, der dies alles angezettelt, sei der Milesier Aristagoras gewesen, so soll er zuerst, wie er es hörte, von den Ioniern gar keine Notiz genommen haben, weil er wohl wußte, daß diesen wenigstens der Abfall nicht ungestraft hingehen werde, und nur gefragt haben, wer denn die Athener wären; hernach aber, als er erfahren, soll er seinen Bogen verlangt, dann, als er ihn empfangen, einen Pfeil darauf gelegt und ihn aufwärts nach dem Himmel geschossen haben; während er denselben in die Luft schoß, habe er ausgerufen: "O Zeus, laß Mich Rache nehmen an den Athenern." Nach diesem Worte soll er einem seiner Diener aufgetragen haben, jedesmal, wenn er sich zu Tische setze, dreimal zu rufen: "O Gebieter, gedenke der Athener. " 106.-107 Nachdem Darius diesen Befehl erteilt, ließ er den Histiäus von Milet, welchen er schon lange Zeit bei sich behalten hatte, zu sich rufen und sprach zu ihm: "Histiäus, ich höre, daß dein Stellvertreter, welchem du Milet anvertraut hast, Arges gegen mich unternommen hat. Denn er hat wider mich aus dem andern Weltteile Leute herangeführt und mit ihnen Ionier, welche mir noch büßen sollen für das, was sie mir angethan; diese hat er beredet, jenen zu folgen, und hat mich um die Stadt Sardes gebracht. Nun, wie gefällt dir dies? Wie konnte so etwas geschehen ohne deinen Rat? Siehe zu, daß du hintennach nicht selbst die Schuld auf dich ladest." Darauf erwiderte Histiäus: O König! was für ein Wort hast du gesprochen? Ich sollte geraten haben zu einer Sache, aus welcher dir ein Kummer, er sei groß oder klein, hervorgehen sollte? Was könnte ich durch eine solche Handlungsweise erstreben sollen? Was geht mir denn ab? Alles, was du hast, steht auch mir zu Diensten, ich bin von dir gewürdigt, zu hören alle deine Beratungen.[1] Aber wenn etwas der Art; was du gesagt hast, mein Stellvertreter thut, so wisse, daß er es auf eigene Faust für sich gethan hat; überhaupt aber kann ich es gar nicht glauben, daß die Milesier und mein Stellvertreter irgend etwas Schlimmes in bezug auf deine Macht im Sinne haben. Wenn sie aber wirklich etwas der Art thun und du die Wahrheit gehört hast, so erkenne daraus, o König, was für einen Fehler du gemacht hast dadurch, daß du mich vom Meere weg hierher versetzt hast. Denn es scheint mir, die Ionier haben, nachdem ich ihnen aus den Augen gekommen war, das gethan, wonach sie schon längst gelüstet; wäre ich in Jonien gewesen, so würde sich keine Stadt gerührt haben. Darum laß mich jetzt schleunigst nach Jonien abreisen, damit ich alles dort wieder in Ordnung bringe und den milesischen Stellvertreter, welcher das angestiftet hat, in deine Hand überliefere. Habe ich aber dies nach deinem Sinne gethan, so schwöre ich bei den königlichen Göttern[1] , das Kleid, in dem ich nach Jonien gehen werde, nicht eher auszuziehen, als bis ich Sardo[2] , die größte Insel, dir zinspflichtig gemacht habe." Durch diese Worte nun täuschte Histiäus den Darius, welcher sich bereden ließ und ihn mit dem Auftrag entließ[3] , wenn er; was er versprochen, ausgeführt, dann wieder zu ihm nach Susa zu kommen. 108.-113 Während die Nachricht über Sardes zum König gelangte und Darius das (was eben erzählt worden) mit dem Bogen gethan, auch mit Histiäus sich besprochen hatte, und dieser, von Darius entlassen, nach dem Meere sich begab in dieser ganzen Zeit geschah Folgendes. Während der Salaminier Onesilus die Amathusier belagerte, kam ihm die Nachricht zu, Artydius, ein Perser, welcher ein zahlreiches Heer auf Schiffen führe, werde auf Cypern erwartet. Auf diese Nachricht entsendete Onesilus Herolde nach Jonien und ließ die Ionier um Hilfe bitten; die Ionier, ohne sich lange zu beraten, erschienen darauf mit einer zahlreichen Flotte. So kamen nun die Ionier nach Cypern und die Perser, welche auf Schiffen aus Cilicien übergesetzt waren, rückten zu Lande gegen Salamis[4] ; die Phönikier aber fuhren mit ihren Schiffen um das Vorgebirge herum, welches man die Schlüssel von Cypern nennt.[5] Während dies in solcher Weise vor sich ging, riefen die Könige der Cyprier die Feldherren der Ionier zusammen und sprachen zu ihnen: ,Ihr Ionier, wir überlassen euch die Wahl, welchen von beiden ihr euch nähern wollt, den Persern oder Phönikiern; denn wenn ihr zu Lande euch aufstellen und es mit den Persern aufnehmen wollt, so möchte es wohl an der Zeit sein, daß ihr aus den Schiffen steigt und zu Lande euch aufstellt, während wir eure Schiffe besteigen, um mit den Phönikiern zu kämpfen; wollt ihr aber lieber euch mit den Phönikiern messen, ihr müßt, was von beiden ihr nun vorzieht, es dahin zu bringen suchen, daß, soweit es an euch liegt, Jonien und Cypern frei werden." Darauf sprachen die Ionier: Der Bund der Ionier hat uns geschickt, das Meer zu bewachen, aber nicht, damit wir unsere Schiffe den Cypriern überlassen und selbst zu Lande wider die Perser streiten. Wir wollen daher in dem, wozu wir befehligt sind, versuchen etwas zu leisten; ihr aber müßt in der Erinnerung an das, was ihr in der Knechtschaft von den Medern auszustehen hattet, euch ebenfalls als tapfere Männer zeigen. " Dies war die Antwort der Ionier. Als hernach die Perser in die Ebene der Salaminier[1] gekommen waren, stellten die Könige der Cyprier das Heer auf, und zwar die übrigen Cyprier den übrigen Kriegern gegenüber, von den Salaminiern aber und den Soliern[2] wählten sie den besten Teil aus und stellten diese gegenüber den Persern auf; dem persischen Feldherrn Artybius stellte sich freiwillig Onesilus gegenüber. Artybius ritt ein Pferd, welches gelehret war, sich wider einen Schwerbewaffneten aufrecht zu stellen. Als dies Onesilus erfahren hatte, so sprach er zu dem Schildträger, den er hatte, einem Mann, welcher von Geschlecht ein Karer[3] war, aber in allem, was zum Kampfe gehört, sehr tüchtig und überhaupt voll von Mut: wie ich vernehme, so stellt sich das Pferd des Artybius aufrecht und sucht mit den Füßen und mit dem Mund zu bewältigen, welcher sich ihm genähert hat. Überlege es dir nun und sage mir alsbald, welchen von beiden du beachten und treffen willst, das Pferd oder den Artybius selbst." Darauf erwiderte ihm sein Schildträger: "O König, ich bin bereit, beides zu thun, oder auch nur das eine davon und überhaupt, was du nur immer mir auferlegst; wie es mir jedoch für deine Lage zuträglicher erscheint, will ich dir sagen. Ich behaupte nämlich, ein König und ein Feldherr muß durchaus einem König und einem Feldherrn entgegengehen; denn, wenn du einen Feldherrn erlegst, so wird es für dich etwas Großes sein, und zum andern, wenn jener, was nicht geschehen möge, dich erlegt, so ist es doch nur ein halbes Unglück, zu sterben durch einen Würdigen; wir Diener dagegen müssen anderen Dienern entgegengehen, sowie dem Pferde, dessen Künste du durchaus nicht zu fürchten brauchst; denn ich verspreche es dir, es soll sich keinem Manne entgegenstellen." Dieses sprach er, und alsbald trafen die Heere zusammen, zu Lande wie zur See. Zur See nun errangen die Ionier, welche an diesem Tage tapfer kämpften, den Sieg über die Phönikier, und unter ihnen zeichneten sich die Samier aus; zu Lande aber stürzten die Heere, als sie einander nahe gekommen waren, auf einander los, und hier geschah bei beiden Feldherren folgendes. Als Artybius, der auf dem Pferde saß, dem Onesilus sich näherte, so schlug Onesilus, nach der Verabredung mit seinem Schildträger, auf den Artybius selbst, wie er auf ihn eindrang; als aber das Pferd die Füsse auf den Schild des Onesilus warf, da traf der Karier es mit der Sichel und hieb die Füße des Pferdes ab. Artybius, der Feldherr der Perser, fiel nun zugleich mit dem Pferde ebendaselbst. Während die übrigen mit einander stritten, ließ Stesenor, welcher König von Kurium[1] war und eine nicht geringe Mannschaft um sich hatte, die anderen im Stich; es sollen aber diese Kurier Kolonisten der Argiver sein. Nachdem die Kurier sich davon gemacht hatten, machten alsbald die Kriegswagen der Salaminier es ebenso wie die Kurier; wie dies aber geschah, waren die Perser den Cypriem überlegen; das Heer derselben ergriff die Flucht, auf welcher viele andere fielen, insbesondere auch Onesilus *, der Sohn des Chersis, welcher den Abfall der Cyprier bewirkt hatte, sowie Aristocyprus, der König der Solier, der Sohn des Philocyprus und zwar des Philocyprus, welchen der Athener Solon, als er nach Cypern kam, in seinen Gedichten[1] unter allen Herrschern am meisten gepriesen hat. 114. Dem Onesilus nun schnitten die Amathusier, weil er sie belagert hatte, den Kopf ab, brachten ihn nach Amathus und hingen ihn über dem Thor auf. Während der Kopf hier hing und schon hohl war, drang ein Bienenschwarm hinein und füllte ihn mit seinen Waben. Infolge dessen wendeten die Amathusier sich darüber an das Orakel und bekamen die Antwort, sie sollten den Kopf wegnehmen und beerdigen, dem Onesilus aber, gleich einem Heros, alljährlich ein Opfer bringen; würden sie dies thun, so würde es ihnen gut gehen. 115. Daher thaten die Amathusier dies noch bis zu meiner Zeit. Als aber die Ionier, welche bei Cypern zur See gekämpft hatten, erfuhren, daß die Sache des Onesilus verloren sei und die übrigen Städte der Cyprier mit Ausnahme von Salamis belagert würden, diese Stadt aber die Salaminier ihrem früheren König Gorgus übergeben hätten, so segelten sie auf diese Kunde sogleich weg nach Jonien. Von den Städten in Cypern aber hielt Soloi am längsten die Belagerung aus, erst im fünften Monat nahmen die Perser indem sie die Mauer ringsherum untergruben, dieselbe ein. 116. So waren nun die Cyprier, nachdem sie ein Jahr frei geworden, wiederum aufs neue in Knechtschaft geraten. Daurises aber, welcher eine Tochter des Darius hatte, Hymeas, Dtanes und andere persische Feldherren, welche ebenfalls Töchter des Darius hatten, verfolgten die Ionier, welche bei Sardes gestritten hatten, und trieben sie in die Schiffe, hernach aber, als sie in einer Schlacht gesiegt, verteilten sie sich und verheerten die Städte. 117. Daurises, welcher sich zu den Städten am Hellespont gewendet hatte, nahm Dardanus[1] , Abydus, Perkotes Lampsakus und Päsus[2] ein, und zwar nahm er an jedem Tage eine derselben ein. Wie er aber von Päsus wider die Stadt Parium zog, kam ihm die Nachricht, die Karer machten mit den Ioniern gemeinsame Sache und wären von den Persern abgefallen; er kehrte daher um aus dem Hellespont und führte sein Heer gegen Karien. 118.-120 Indessen erhielten die Karer davon Nachricht, noch ehe Daurises angelangt war; auf diese Nachricht sammelten sich die Karer bei den sogenannten Weißen Säulen[3] und dem Flusse Marsyas, welcher aus der Landschaft Idrias kommt und in den Mäander mündet. Als aber die Karer versammelt waren, fehlte es nicht an vielerlei Ratschlägen; der beste schien mir indes der des Pixodarus, des Sohnes des Mausolus, eines Karers, welcher die Tochter des Syennesis, des Königs der Cilicier, zur Frau hatte, zu sein. Die Meinung dieses Mannes ging nämlich dahin, die Karer sollten den Mäander überschreiten und, wenn sie den Fluß im Rücken hätten, erst den Kampf beginnen, damit die Karer nicht rückwärts fliehen könnten, sondern, zum Bleiben genötigt, sich recht tapfer halten möchten. Diese Meinung ging aber nicht durch, sondern die andere, wonach sie lieber die Perser als den Mäander im Rücken haben sollten, weil nämlich die Perser wenn sie die Flucht ergriffen und im Kampf besiegt wären, dann nicht mehr davon kämen, indem sie in den Fluß fallen würden. Als darauf die Perser erschienen und den Mäander überschritten hatten, trafen hier an dem Fluß Marsyas die Karer mit den Persern zusammen und kämpften einen heftigen und lange dauernden Kampf, bis sie zuletzt der persischen Übermacht unterlagen. Von den Persern fielen gegen zweitausend Männer, von den Karern gegen zehntausend. Diejenigen aber, welche von hier entkamen, wurden nach Labranda[1] gedrängt, in ein großes Heiligtum des kriegerischen Zeus und einen geheiligten Platanenhain. Es sind aber die Karer die einzigen, die wir kennen, welche dem kriegerischen Zeus Opfer darbringen. Als diese nun eingeschlossen waren, berieten sie sich mit einander über ihre Rettung, ob sie besser thun würden, sich den Persern zu übergeben oder Asien gänzlich zu verlassen. Während sie darüber mit einander sich berieten, erschienen zu ihrer Hilfe die Milesier und deren Verbündete; da ließen sie sofort das, worüber sie vorher sich beraten, fallen und rüsteten sich wiederum von neuem zum Streit; sie kämpften auch mit den heranrückenden Persern und wurden nach einem noch längeren Kampfe wie früher besiegt; es fielen sehr viele von ihnen; den härtesten Schlag erlitten aber die Milesier. 121. Nachher machten die Karer jedoch diese Niederlage wieder gut und wetzten die Scharte aus. Auf die Nachricht nämlich, daß die Perser einen Feldzug wider ihre Städte beabsichtigten, legten sie auf dem Wege bei Pedasus[2] einen Hinterhalt, in welchen die Perser in der Nacht fielen und hier vernichtet wurden samt ihren Feldherren, Daunses, Amorges und Sisimakes; zugleich mit diesen kam auch Myrsus um, der Sohn des Gyges.[1] Ihr Führer bei diesem Hinterhalt war Heraklides, des Ibanolis Sohn aus Mylasa. Auf diese Weise nun kamen diese Perser um. 122.-123 Hymeas aber, gleichfalls einer von denen, welche die nach Sardes gezogenen Ionier verfolgt hatten, wendete sich nach der Propontis[2] und nahm Cius[3] in Mysien ein; nach der Eroberung dieser Stadt verließ er auf die Nachricht, daß Daurises den Hellespont verlassen und in der Richtung nach Karien gezogen, die Propontis und führte sein Heer nach dem Hellespont; hier unterwarf er alle Äolier, welche die Landschaft Ilias bewohnen, ebenso die Gergithen[4] , die Reste der alten Teukrer; während aber Hymeas diese Völker unterwarf, erkrankte er und starb in der Landschaft Troas. Also starb dieser. Artaphemes aber, der Statthalter von Sardes und Otanes, der dritte Feldherr, wurden befehligt, wider Jonien und das daranstoßende Äolien zu ziehen; in Jonien eroberten sie Klazomenä[5] , von den äolischen Städten Kumä. 124.-126 Indem diese Städte erobert wurden, zeigte es sich in der That, daß Aristagoras von Milet kein Mann von hohem Sinne war, da er, der Jonien in Unruhe gestürzt und den gewaltigen Streit angezettelt hatte, nun zu entweichen gedachte, so wie er dies bemerkte; überdem auch hielt er es für unmöglich, den König Darius zu überwältigen. Demgemäß nun rief er seine Anhänger zusammen und erklärte ihnen in einer Beratung, daß es für sie besser sei, irgend eine Zufluchtsstätte zu haben, wenn sie nämlich aus Milet vertrieben würden; sei es, daß er von diesem Orte aus sie nach Sardinien[1] in eine Kolonie führe, oder nach Myrcinus[2] im Lande der Edonen, welches Histiäus von Darius zum Geschenk erhalten und mit Mauern zu umgeben angefangen hatte; das war die Frage, welche Aristagoras ihnen vorlegte. Die Meinung des Hekatäus nun, des Sohnes des Hegesander, des Geschichtsschreibers[3] , ging dahin, nach keinem der beiden Orte sich zu begeben: Aristagoras solle auf der Insel Lerus 4 eine Burg erbauen und sich dann ruhig verhalten, wenn er aus Milet vertrieben sei; hernach aber könne er von hier aus nach Miletus zurückkehren. Diesen Rat gab Hekatäus. Aber Aristagoras selbst war am meisten der Ansicht zugethan, nach Myrcinus abzuziehen; daher übergab er Milet dem Pythagoras, einem angesehenen Mann unter den Bürgern; er selbst schiffte sich darauf ein nach Thrakien und nahm jeden mit, der es wollte, auch besetzte er das Land, nach dem er gezogen war; von hier aus unternahm er einen Zug, auf welchem er selbst wie sein Heer den Untergang durch die Thraker fand, als er eine Stadt[5] belagerte und die Thraker vertragsmäßig aus derselben abziehen wollten. |